Oder der Mann und die Frau und dazwischen?
Wir alle kennen diese Szene aus „Schlaflos in Seattle“. Sie hat sich wie keine andere in das von Bindungsängsten gelähmte Bewusstsein einer ganzen Generation eingebrannt und kommt seitdem mit sturer Regelmäßigkeit in jedem zweiten Hollywood-Schnülzer vor: das Bild von einem schlafenden (angehenden) Ehemann mit einem Stück Taschentuch vor Mund und Nase, das bei jedem Schnarchen hochfliegt und wieder zurück auf das Gesicht fällt und der (leicht angewiderte) Nur-raus-hier- Blick von Meg Ryan, die sich in diesem Moment gerade fragt, ob es nicht doch etwas Aufregenderes im Leben gibt als dieses langweilige schnarchende Monstrum.
Natürlich geht sie das Wagnis ihres Lebens ein und findet die große Liebe. Und kurz nach dem Kuss endet auch schon der Film. Wir atmen tief durch, stellen fest, dass der Mund trocken und also die ganze Zeit offen war, unterdrücken das idiotische Grinsen und werfen, nein, schleudern einen tonnenschweren „Muuuuuh“ - Blick zur Seite, wo die seelischen Leiden unseres geplagten Begleiters endlich zu Ende sind und sich in einem Lächeln purer Erleichterung auflösen.
Die große romantische Liebe. Wir suchen nach ihr, wir träumen von ihr und sogar wenn wir in einer Beziehung sind und eigentlich ganz glücklich (sein sollten), bleibt da ein kleiner Wehrmutstropfen. Nicht unbedingt weil wir denken, da draußen warte vielleicht ein anderer Traumprinz auf uns. Sondern es fehlt einfach etwas. Mehr Nähe, mehr Aufmerksamkeit, mehr Prickeln, wir suchen ständig nach richtigen Worten und finden sie doch nicht. Aber eins weiß unser einer als Frau ganz genau: Beziehung ist nicht einfach Sex auf Vertragsbasis oder ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder. Das versuchen uns Männer seit Jahrtausenden mit logischen Argumenten weis zu machen, aber wir wissen es besser. Und wir haben Recht.
Auf der Suche nach der Liebe – man mag es auch Sinn des Lebens nennen – und nachdem ich mir alle möglichen abstrusen Theorien von Inkarnationen und Auferstehungen, Tantra, Mantra und was auch immer reingezogen habe und leicht gehirnerschüttert die Suche fast aufgegeben hätte, bin ich doch noch auf etwas gestoßen, das, was soll ich sagen, meine von Wäsche und Rechnungen zugeschüttete Seele wieder hervorgegraben und erfrischt hat: auf einen richtigen Schatz kabbalistischer Weisheit, unbesudelt durch rote Bändchen, geheiligtes Wasser, Madonna und ihre Scheidung von Guy Richie.
Und zwar sagt die Kabbala, dass die ganze Welt aus nur zwei Dingen besteht: dem Schöpfer und dem Geschöpf, also dem Licht und dem Gefäß. Der Schöpfer erschafft sich ein Gegenpart, das Geschöpf, ein pures Ego, damit dieses all das Gute in Empfang nimmt, was er zu geben hat. In seiner Sehnsucht nach Verschmelzung mit dem Schöpfer versucht das arme Gefäß, altruistisch wie der Schöpfer zu sein, und nicht mehr nur zu bekommen, schafft es nicht, verzichtet dann auf alles Licht und zerbricht letztendlich an seinen fruchtlosen Bemühungen. Geben und Nehmen vermischen sich in den Bruchstücken des ursprünglichen Geschöpfes, und seitdem laufen armselige Teilchen durch die Welt, bezeichnen sich als ganze Menschen, leiden, hassen einander, führen Kriege und schwelgen in dem stetig wachsenden Ego.
Doch in jedem von uns lebt noch ein kleiner Funke, ein sorgsam untersdrücktes Verständnis der Tatsache, dass das hier nicht alles sein kann. Und weil wir Frauen wunderbare, kluge und empfindliche Geschöpfe sind, *grins*, nein, ehrlich, weil wir uns selbst einfach näher sind, unseren Körper, unsere Seele, unsere Natur (und „Natur“ bedeutet in der kabbalistischen Zahlenlehre Gematria „Schöper“) tiefer spüren, fühlen wir diesen Funken umso mehr.
In der Kabbala ist der Mann das Licht und die Frau das Gefäß, also die Frau das Verlangen und der Mann die Erfüllung. Deswegen fordert die Frau seit jeher vom Mann, sie glücklich zu machen. Sie spricht es nicht unbedingt aus. Aber diese Forderung, sie seelisch, physisch und spirituell zu befriedigen, steht immer im Raum. Diese Forderung treibt den Fortschritt an, aber weil die Frau eben mehr will, als Geld, als Ruhm, als Bequemlichkeit, und weil diese Sehnsucht nicht mit Bier und Fußball totzukriegen ist, bleiben wir Frauen manchmal glückliche, aber eben oft unbefriedigte und traurige Geschöpfe.
Und tatsächlich, was wollen wir eigentlich? Welchen Partner suchen wir? Wir können nicht wissen, was wir wollen, geschweige denn, was wir brauchen, weil wir uns selbst nicht kennen. Wir schauen nur nach außen, statt innen zu suchen. Und somit können wir nie und nimmer eine richtige Wahl treffen. Was aber tun, warten, bis der Perfekte Er wie eine reife Frucht in unseren Schoss fällt?
Die Kabbala sagt, dass einen Partner zu suchen bedeutet, sich selbst zu finden. Wenn jeder von uns seine Individualität tiefer ergründet und entfaltet, dann werden wir von Weitem spüren, wo und wer die Person ist, die genau zu mir passt. Die Kabbala sagt, dass alles nur von der inneren Entwicklung eines Jeden abhängt. Und dann kann es der einfachste Mensch von der Straße sein, aber er ist es eben! Unser heutiges Problem besteht darin, dass wir in einem Meer von Information und falschen Vorbildern versinken. Alle wollen das gleiche Gesicht, die gleiche Ausstattung. Uns so schauen wir hin und sehen nichts – alle gleichen sich wie Wassertropfen.
Die Methodik der Kabbala hilft dem Menschen, sich selbst zu finden, alle Hüllen allmählich abzustreifen und die eigene Natur zu begreifen. Auf dem richtigen spirituellen Weg entdecken wir uns selbst und denjenigen, der uns vollkommen ergänzt. Wir benutzen dieses Wort ständig, und dennoch: was heißt „ergänzt“? Im Spirituellen bilden Mann und Frau ein einziges „Kli“, ein spirituelles Gefäß, dass, sobald es „ganz“ ist, mit Licht, also mit unendlichem Glück erfüllt werden kann.
Im Grunde wissen wir gar nicht, was Gegenseitigkeit ist. Sogar wenn wir in einer Familie leben, sind wir verschlossen. Wir leben in parralelen Welten, die wie in einem Vertrag miteinander verbunden sind, gefangen in scheinbar gemeinsamen Ritualen, die doch nur gleichzeitig stattfinden: gleichzeitiges Essen, gleichzeitiges Schlafen, gleichzeitiges Lesen, gleichzeitiges Joggen. Erst wenn man sich öffnet, dem anderen mehr von sich offenbart als sogar sich selbst gegenüber und beginnt, zusammen spirituell zu wachsen, dann wird ein gemeinsames Gefäß oder Kli erschaffen, welches so niemand in dieser Welt hat - es existiert nur in der spirituellen Welt. Dieses gemeinsam Gefäß hat andere Gesetze: es ist ewig, stets erfüllt und verliert nie den Genuss. Es vergrößert sich nur ständig und erfüllt sich gleichzeitig wie ein Brunnen. Darin findet der Mensch eine ewige Existenz, weil er aus sich selbst zum Anderen heraustritt und so durch ihn ergänzt wird.
Dabei haben wir schreckliche Angst vor Intimität, wir haben Angst, verletzt zu werden, „entblößt“. Die Kabbala sagt jedoch, dass „Nur ein Mensch mit gebrochenem Herzen ganz ist“. Nur durch Schläge, nur über ein gebrochenes Herz gelangen wir schließlich zur Vollkomenheit, indem wir an unsere Grenzen stoßen, verstehen, dass wir nicht dazu in der Lage sind, wirklich aus uns selbst hinauszutreten und mit einem anderen Menschen vollkommen zu verschmelzen, begreifen, dass es unser Ego ist, das uns zerstört und uns daran hindert, wirklich glücklich zu werden.
Als Michael Laitman, ein führender Wissenschaftler und Kabbalist, bei einem der Interviews gefragt wurde, wie er die moderne Ehe sehe, antwortete er: als ein Bett und darauf Mann und Frau, die mit dem Rücken zueinander liegen. Zwischen ihnen- ihr Ego, eine Schlange, die sie daran hindert, sich einander zuzuwenden. In dieser Lage fürchten sie sich, einander zu berühren.
In der spirituellen Welt existieren zwischen dem (spirituellen) Mann und der (spirituellen Frau) vier Zustände: Rücken zu Rücken, Gesicht zu Rücken, Rücken zum Gesicht und Gesicht zu Gesicht. Der Zustand, der hier beschrieben wird, ist der schlimmste von allen, und danach beginnen sie allmählich, sich einander anzunähern, sich etwas vorzuwagen und dann doch einen Schritt zurück zu tun, sich aus sich selbst hinauszutrauen und eine vollkommene Erfüllung zu erfahren.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Partnersuche eines der zentralen Themen ist und doch nur eine ständige Wechselfolge unterschiedlicher Partner meint, die eben nur Partner bleiben und eigentlich nie Teil von uns werden. Dabei finden wir aber nicht wirklich Glück, sondern höchstens eine vorübergehende Illusion davon. Denn Partnersuche bedeutet eigentlich etwas vollkommen Anderes: Partnersuche bedeutet, in dem Menschen, mit dem ich zusammen lebe, meinen Partner zu finden.
Die Kabbala sagt, dass es unmöglich ist, eine solche spirituelle Ehe mit einem zufälligen Partner, außerhalb der festen Beziehung bzw. außerhalb der Familie aufzubauen, weil man dafür jemanden braucht, mit dem man auf dem seelischen Niveau verbunden ist. Es geht nicht einfach um jemanden, der mich versteht: es steht so vieles mehr dahinter. Doch das ist ein separates Thema-warum der Mensch so erschaffen ist, dass er ein Haus, Kinder, Familie, Küche und Badezimmer braucht. Aber eine innere, intime, seelische und spirituelle Verbindung kann niemals mit einfach nur irgendjemandem aufgebaut werden, sondern eben nur mit demjenigen, mit dem man eine Küche, ein Badezimmer, ein Schlafzimmer und gemeinsame Kinder teilt, ein Gesamtkomplex von Ballaststoffen, genannt „Haus“. Und auch die Frau heißt im Spirituellen „Haus“. Aber dazu ein andermal.
In der modernen Welt verlieren diese Dinge an Bedeutung, wir leben mobil, wir leben schnell und wir leben getrennt. Aber leben wir auch glücklich? Einige kabbalistische Grundsätze werde ich mir mit Sicherheit mit auf den Weg nehmen: dass das Glück nicht etwa meilenweit zu finden ist, sondern ganz nah; dass es mein Ego ist, das mich in seiner unstillbaren Gier nach neuen Genüssen immer unglücklicher macht; dass es letztendlich unmöglich ist, inneralb dieser egoistischen Welt wirklich glücklich zu werden; dass eine Beziehung nur funktionieren kann, wenn man an die Wünsche des Anderen vor den eigenen denkt; dass mich kein anderer Mensch erfüllen kann und ich es also von niemandem erwarten darf, sondern dass wir gemeinsam etwas erschaffen, was dann aus einer anderen Quelle erfüllt wird; dass schließlich, wie der weise Saint-Exupery sagte, „Liebe bedeutet, nicht einander in die Augen zu schauen, sondern gemeinsam in die gleiche Richtung zu blicken“.
Vielleicht zum Schluss noch eine kurze Übung. Beim nächsten Streit versuchen Sie, mitten drin aufzuhören und einfach für einen Moment an den Anderen zu denken. Wie er wohl fühlt und wie er das ganze sieht. Und nichts mehr sagen. Einfach wundern, wie die Wut verraucht, und die Stille genießen.