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Rabash - Igrot (Briefe)

Igrot Rabash ("Briefe [des] Rabashs"): Es handelt sich um Briefe, die Baruch Ashlag seinen Schülern schickte, während er in Übersee war. In seinen Briefen beantwortete er die Fragen seiner Schüler in Bezug auf ihren spirituellen Weg und Fortschritt, erklärte die spirituelle Bedeutung der jüdischen Feiertage gemäß Kabbala und befasste sich mit vielen anderen Themen.

Brief Nr. 201

Für die zukünftigen Schüler

Vor nicht langer Zeit habe ich einen Brief erhalten von... Und ich werde überhaupt in allgemeiner und einfacher Weise alle Briefe beantworten, d. h. sogar der Alte in der Gruppe kann ausreichende Antworten erhalten, und das sogar auf die Fragen, von denen er nichts schreibt. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Vater und Lehrer, seligen Andenkens, ihn schreiben lehrte, und sicher erinnert er sich auch.

Denn das Konzept des Schreibens, erklärte mein Vater und Lehrer s. A., von dem wir sagen „Gedenke unserer für das Leben, König, der Leben wünscht, und schreibe uns in das Buch des Lebens ein“[1]. „Schreiben“ bedeutet dabei immer, mit schwarzer Tinte auf weißem Papier. „Weiß“ ist die Zeit von Tora und Arbeit, und die Zeit von „Schwarz“ ist die Kategorie von Bösem und von Niedertracht, die der Mensch in sich spürt. Und dieses Schwarze muss von Weißem umgeben sein, um jeden einzelnen Buchstaben herum. Das heißt die Einsicht in den wahren Zustand kommt nur gemäß den Stunden, die man beim Studium der Tora und bei der Arbeit verbracht hat, denn das Licht, welches sich in ihr birgt, führt zum Guten zurück. 

Also nur durch die Häufung, also die Kategorie der Rechten, ohne dass danach der Zustand der Linken folgt, genannt „Schwärze“. Und dann gilt die Schrift als korrekt.  Die grundlose Schwärze dagegen, wenn der Mensch sich viel der Tora und den Geboten widmet, und von sich selbst sagt, dass er schlecht sei, so wird diese Art von Bösem aus dem Raum der Klipot[2] herangezogen, und dafür gibt es keinen Platz in der Herrschaft des Einzigen.

Und man muss sich stets ins Gedächtnis rufen, die Ordnung der Zeitpunkte von Rechts und Links nicht umzutauschen. Und das ist es, was die Weisen auf den Vers sagten: „Immerdar sind die Augen des Ewigen, deines Gottes, auf dieses Land gerichtet, von Anfang des Jahres bis ans Ende“[3] usw, manchmal zum Guten und manchmal zum Schlechten. Wie das, manchmal zum Guten? Siehe, wenn die Israeliten an Rosh HaShana  vollkommene Sünder waren, und ihnen per Urteil wenig Regen zukam, sie aber anschließend [zur Tora] zurückkehrten; hinzufügen kann man nicht mehr, da das Urteil schon gesprochen wurde, doch der Ewige lässt [den Regen] [genau] zu der Zeit auf das Land nieder, wenn es ihn braucht. Alles gerichtet nach dem Land. Wie das, manchmal zum Schlechten? Siehe, wenn die Israeliten an Rosh HaShana vollkommene Gerechte waren, und ihnen per Urteil viel Regen zugesprochen wurde, sie aber anschließend sündigten. Verringern (wegnehmen) kann man nicht mehr, da das Urteil schon gesprochen wurde, doch der Ewige, gesegnet sei Er, lässt den Regen nicht zur richtigen Zeit auf das Land nieder, wenn es ihn nicht braucht.

Und das erkläre ich auf zweierlei Weise. Erstens ist es die Antwort für diejenigen Freunde, die sagen, dass ihnen zur Stunde ihrer Geburt vom Himmel wenig Kraft gegeben wurde. Also einen reduzierten Verstand, in dem weder zu viel Schärfe noch Verständnis noch Gedächtnis noch Energie oder eine starke und umfassende Meinung vorhanden sind. Sie sind von allen ihren seelischen Kräften entmutigt, und sie sagen zu sich, dass es bestimmt aufgrund einer Sünde aus der vorausgegangenen Reinkarnation ist, dass der Schöpfer das Urteil fällte, dass sie mit wenig physischer Kraft in diese Welt herabsteigen sollen, da an Rosh HaShana, also zu Beginn seiner[4] Erschaffung, dieses Schicksal für ihn festgelegt wurde.

Doch man muss wissen, dass wenn man [zu den Geboten] zurückkehrt, dieselben wenigen Regenfälle, also die wenigen seelischen Kräfte auf das Land niedergehen. Das bedeutet, dass der Mensch sich all seiner Kräfte, die er hat, zum Guten bedient. Und das reicht aus, damit das Land, also das Herz, Ernte bringt, also Fruchtbarkeit und Vermehrung in der Tora und Mizwot usw.

Wenn man allerdings nicht würdig wird, also wenn dem Menschen viele Regenfälle per Urteil zugesprochen wurden, er aber anschließend sündigt, dann gehen alle physischen Kräfte, genannt „viele Regenfälle“, zu der Zeit nieder, wenn das Land sie nicht braucht. Das bedeutet, dass er alle Energie und Verstand nicht für das Land der Heiligkeit benutzt, sondern für den Ort der Wüste, wo es böse Tiere gibt, doch um Ernte zu bringen, gibt es dort keinen Regen für das Land. Dort kann man es bei den Größten von allen sehen – für die reine und saubere Arbeit verfügt er über keinerlei Verstand und Energie und Kraft.

Und so muss der Mensch seine Augen und sein Herz nur darauf richten, dass die Regenfälle zu dem Ort gehen mögen wo sie gebraucht werden. Und das ist das ausreichende Maß, damit [das Land] Ernte bringt. Und das heißt „manchmal zum Guten“.

Und daraus wird ersichtlich, was die Weisen mit „manchmal zum Guten“ beschrieben, gerade dann, als die Menschen zu Rosh HaShana vollkommene Sünder waren. Warum sagten sie nicht, dass sie vollkommene Gerechte waren und Gerechte blieben? Doch welche Kräfte dem Menschen auch gegeben werden, er kann immer sagen, dass sie gering sind. Und das erklärten sie so, dass sogar [wenn die Menschen] vollkommene Sünder zu Beginn Seiner Schöpfung [waren], also zu Rosh HaShana, und ihnen wenig Regenfälle zugesprochen wurden, so reicht es dennoch aus, damit das Land, also seine Wünsche, Früchte der Heiligkeit bringen.

Ich habe all das in die Länge gezogen, um die Rechtfertigungen aus der Welt zu schaffen, die einige der besserwisserischen Freunde vorbringen, um ihre Taten zu erklären.

Und eine andere Erklärung ist die Folgende: Wenn der Mensch nicht würdig wird, seine Taten zu korrigieren, damit sie auf dem Pfad der Reinheit wandeln, sogar wenn man ihm ein wenig Lebenskraft der Heiligkeit gibt, die er benutzen kann, um in sich den Geschmack von Vollkommenheit zu spüren, damit er dem Heiligen, gelobt sei Er danken und Ihn dafür preisen kann, dass Er ihn ein wenig näher zur Arbeit des Ewigen brachte; und diese Kraft muss ihm in der Zeit von Tora und der Erfüllung von Geboten leuchten, „denn es durfte niemand zu des Königs Tor eingehen, der einen Sack anhatte“[5].

Und wenn er nicht würdig wird, dann fühlt er die Vollkommenheit darin, während er sich nichtigen Dingen widmet, also dem Essen und dem Trinken und so weiter; wenn er aber zur Tora und zur Erfüllung von Geboten kommt, dann fühlt er dessen Nichtigkeit. So stellt sich heraus, dass er gerade am Tor des Königs den Sack von Nichtigkeit trägt, und sowieso kann es keine Früchte für den Segen geben, da sich „das Verdammte nicht an das Gesegnete haftet“.

Sondern es muss das Gegenteil sein, dass man sich gerade in der Zeit, da man Gebote erfüllt, in Vollkommenheit spürt. Und auf diese Weise bereitet sich der Mensch darauf vor, dass der Ewige Seine Shechina auf ihn herabsenkt. Und er wird der Süße und der Wonne der höheren Gnade würdig. Bis sich der Himmel schließlich seiner erbarmt und er haftet sich an die Ewigkeit an und steigt empor.

Und das Wichtigste ist es, sich in den Belangen des Glaubens zu festigen, gerade dort, wo die Fragen nach dem „Wer?“[6] und „Was?“[7] erwachen, und für den Verstehenden soll [das Gesagte] genug sein.

Und das wird uns helfen zu verstehen, was Rashi auf den Vers sagt: „Dies ist die Gesetzesbestimmung, die der Ewige geboten hat.“ Hier sind seine Worte: „Da der Satan und die Völker der Erde Israel dazu bringen, zu fragen was dieses Gebot sei, und was der Sinn davon sei, schrieb er hier: „Gesetzesbestimmung“: eine Verordnung ist dies, und du hast kein Recht über sie Überlegungen anzustellen.“ Und man muss verstehen, dass dies meint, dass deswegen keine Bedeutung dafür angegeben wurde, doch nach der Logik des einfachen Verstandes musste es das Gegenteil sein. Das heißt wenn es niemanden gibt, der fragen könnte, braucht man keine Bedeutung. Wo man allerdings Fragen stellt, dort muss die Bedeutung angegeben sein. Doch wie oben beschrieben ist: Das Konzept der „Gesetzesbestimmung der Tora“ meint den Glauben. Und das gerade dort, wo man Fragen stellt: Dort muss es eine Antwort über dem Wissen geben.

Und damit einher wirst du auch verstehen, was gesagt ist: „Eine Mutter wird ihren Sohn verspeisen (vernichten).“ Und was für eine Verbindung besteht zwischen der Roten Kuh und dem Kalb[8], außer dem Wortspiel, dass hier eben „Kuh“ steht und dort „Kalb“. Sondern es ist, wie oben erklärt, dass die Sünde vom goldenen Kalb so war, wie das Buch Sohar beschreibt: „Wer sind die, die sagten: ‚Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägyptenland geführt haben!’“[9], also der Aspekt des Wissens und nicht der Aspekt des „Wer“, genannt Chassadim, der Aspekt der Wahrheit. Deswegen kam die Handlung der Kuh, die im verborgenen Sinne den Glauben über dem Wissen darstellt, und dadurch wird die Handlung des Kalbs gesühnt.

Dein Freund, Baruch Shalom



[1] Sidur, 1. Segenspruch aus der Amida an den zehn Bußtagen

[2] Schalen

[3] 5. Buch Moses 11,12

[4] Der Wechsel aus „ihrer“ zu „seiner“ aus dem Original übernommen,

[5] Ester 4,2. Da Mordechai erfuhr alles, was geschehen war, zerriss er seine Kleider und legte einen Sack an und Asche und ging hinaus mitten in die Stadt und schrie laut und klagte. Und kam bis vor das Tor des Königs; denn es durfte niemand zu des Königs Tor eingehen, der einen Sack anhatte.

[6] 2. Buch Moses 5,2: Pharao antwortete: Wer ist der Ewige des Stimme ich hören müsse und Israel ziehen lassen? Ich weiß nichts von dem Ewigen, will auch Israel nicht lassen ziehen.

[7] 2. Buch Moses 12,2: Und wenn eure Kinder werden zu euch sagen: Was habt ihr da für einen Dienst?

[8] Zwischen dem Gebot von der roten Kuh und der Sünde vom goldenen Kalb

[9] 2. Buch Moses 32,4

 

Brief Nr. 76

An meinen lieben Freund...

Ich sehne mich sehr danach zu hören, was bei euch los ist und wie es deiner Familie geht, im Ganzen und in Einzelheiten.

„Wenn ihr in meinen Satzungen wandeln und meine Gebote halten werdet und sie tut[1]“ Der Heilige Sohar fragt nach: „Wenn Er doch schon sagte, „wandeln“ und „halten“, warum dann noch „und tut“? Und er antwortet: Wenn Einer die Gebote der Tora tut und Seinen Weg geht, dann ist es so, als habe er den Schöpfer gemacht [getan]. Der Heilige, gesegnet sei Er, sagte: Es ist so, als hätte er Mich gemacht. Und das ist die Bedeutung von „und tut“ – als hättet ihr Mich getan“ (Bechukotaj 18, im Sulam ebenda).

Und hier müssen wir verstehen, was es bedeutet, dass wer den Weg des Schöpfers geht, den Schöpfer tut - wie kann der Mensch so etwas denken?

Nun ist es bekannt, „alle Lande sind Seiner Ehre voll[2]“, und das muss jeder Mensch glauben, wie es geschrieben steht: „Ich erfülle den Himmel und die Erde.“ Doch der Heilige, gesegnet sei Er, verhängte eine Verhüllung, sodass man es nicht sehen kann, damit Raum für eine freie Wahl besteht, und dann gibt es noch Raum für den Glauben – zu glauben, dass der Heilige, gesegnet sei Er, „die ganze Welt erfüllt und die ganze Welt umgibt“. Und nachdem sich der Mensch der Beschäftigung mit der Tora und den Geboten widmet und das Gebot der Wahl erfüllt, offenbart sich der Heilige, gelobt sei Er, dem Menschen, und dann sieht dieser, dass der Schöpfer derjenige ist, der die Welt beherrscht.

Es läuft also darauf hinaus, dass der Mensch dann den König macht, der ihn beherrschen soll, d. h. der Mensch spürt den Schöpfer als den Herrschenden über die ganze Welt, und das bedeutet, dass der Mensch den Schöpfer zu seinem König macht. Denn solange der Mensch nicht zu dieser Empfindung gelangt, ist die Herrschaft des Schöpfers verhüllt. Und das ist es, was wir [meinen, wenn wir] sagen: „Zu der Zeit wird der Ewige nur einer sein und Sein Name nur einer[3]“, d. h. die Ehre seines Königtums wird sich uns offenbaren.

Und das ist die ganze Korrektur, die uns zu tun in dieser Welt auferlegt ist, und hierdurch ziehen wir alles Gute in der Welt heran, denn alle oberen Einflüsse werden dadurch herangezogen, dass wir uns Tora und Mizwot mit der Absicht widmen, das Königtum des Schöpfers auf uns herabzuziehen.

Und das ist das Konzept davon, wie Moshe Rabbenu (Moses, unser Lehrer) das Volk richtete, wie es im Wochenabschnitt Jitro geschrieben steht: „Das Volk stand um Moshe her von Morgen an bis zum Abend[4]“ usw. sowie „dass ich richte zwischen einem Jeglichen und seinem Nächsten“[5] gemeint ist, zwischen dem Guten Trieb und dem Bösen Trieb, also ihnen die Gesetze des Schöpfers zu lehren, damit sie wissen, welches die Gedanken und die Wünsche des Guten Triebes und welches die Gedanken und Wünsche des Bösen Triebes sind, damit sie wissen, was sie klären müssen. Denn für den Menschen allein ist es schwer zu entscheiden, ob der Gute Trieb zu ihm spricht, oder ob es die Worte des Bösen Triebes sind.

So werden wir verstehen, was die Weisen auf den Vers sagten: „Wer nun weise wäre und ließe es sich zu Herzen gehen und verkündigte, was des Ewigen Mund zu ihm sagt, warum das Land verderbt usw.[6]“ Rabbi Jehuda sagte, dass Rav sagte: Sie segnen die Tora nicht am Anfang“. Und Rabbi Nissim versteht im Namen von Rabbenu Jona seligen Andenkens, und das ist seine Rede: Der Vers erklärt sich so, dass sie vor der Bearbeitung des Landes keinen Segensspruch auf die Tora gesagt haben. Die Ursache bestand darin, dass sie die Tora verlassen hatten, und das ist die einfache Bedeutung des Verses, dass sie die Tora verlassen hatten und sich nicht mehr mit ihr beschäftigten. Und es werden nun die Weisen und die Propheten gefragt - warum haben sie nicht erklärt, und war es nicht etwa eine offenbarte Sache und einfach zu erklären? Doch natürlich hatte man sich immer mit der Tora beschäftigt, und deswegen waren die Weisen und die Propheten ratlos: Warum verderbt das Land? Bis der Heilige, gelobt sei Er, es selbst erklärte: dass er weiß, dass sie im Grunde ihrer Herzen doch nicht am Anfang auf die Tora gesegnet hatten, was bedeutet, dass die Tora in ihren Augen nicht wichtig genug war, als dass es sich schicken würde, auf sie einen Segensspruch zu sprechen; dass sie sich ihr nicht liShma widmeten, und dass sie deswegen ihren Segensspruch vernachlässigten usw. Bis hierhin seine Worte.

Wie oben gesagt besteht also der Hauptzweck des Studiums der Tora und der Erfüllung der Gebote darin, die Offenbarung des Lichtes Seines Angesichts nach unten heranzuziehen. Und das gehört zum Konzept von „Das Licht, welches in ihr ist, führt ihn zum Guten zurück“, und das offenbart sich durch die Wahl und dadurch, dass man sich ihrem Studium liShma widmet. Und dann erfüllt sich, was Rabbi Meir sagte: „Demjenigen, der Tora liShma studiert, offenbart man die Geheimnisse der Tora“ usw. Und das heißt, dass Sein Königtum sich unten offenbart. Und das ist das Konzept von „...und sie tut – [es ist so], als würdet ihr Mich machen“.

Möge der Schöpfer uns helfen, auf dass wir würdig werden, [Licht] heranzuziehen, und möge sich der Ruhm des Ewigen auf der ganzen Erde verbreiten, bald, in unseren Tagen, Amen

Von deinem Freund, der dir und deiner Familie alles Gute wünscht, Sela

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

[1] 3. Buch Moses 26,3

[2] Jesaja 6,3

[3] Sacharia 14,9

[4] 2. Buch Moses 18,13

[5] 2. Buch Moses 18,16

[6] Jeremia 9,11

 

Brief Nr. 74

Shalom und alles Gute, Sela, an meinen Freund, den ich liebe wie meine Seele...

Sehr sehne ich mich danach zu hören, wie es deiner Umgebung geht, sowohl gesundheitlich als auch finanziell, und wie deine Kinder mit dem Studium zurechtkommen. Bei mir gibt es keine besonderen Neuigkeiten. Und ich will meinen Brief mit Worten der Tora beenden.

Im Wochenabschnitt heißt es: „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber am siebenten Tage sollst du ruhen“[1]. Das bedeutet, dass der Shabbattag für die Ruhe vorgesehen ist und die Wochentage für die Arbeit, d. h. man muss arbeiten. Und wer während der Wochentage nicht arbeitet, der erfüllt nicht „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun“. Was sollen aber Tora-Gelehrte tun, für die ihre Tora ihr Beruf ist?

Und das muss man mit einer Moralvorschrift (Mussar) erklären, und man muss auch erklären, worum es der Moralvorschrift geht, also was von uns erwartet wird, worin das Einhalten von Tora und Mizwot besteht. Und gemäß dem, was mein Vater und Lehrer, seligen Andenkens, erklärte, sind sie (die Tora-Gelehrten) uns zur Heilung gegeben, und durch sie werden wir zu dem Ziel gelangen, das wir erreichen müssen.

Und zuallererst müssen wir den Gegenstand des Schöpfungszieles verstehen - also zu welchem Zweck wir in diese Welt gekommen sind. Und es ist aus [den] heiligen Büchern bekannt, dass das Schöpfungsziel darin besteht, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun (und auch gemäß der Regel, dass der Wunsch der Kuh zu säugen größer ist, als der Wunsch des Kalbs zu saugen). Doch wer verhindert es, dass wir das Gute und den Genuss erhalten, die der Schöpfer uns geben möchte? Und sie erklärten, dass dies zum Zweck hat, dass es kein „Brot der Schande“ wird, denn wenn jemand ein Geschenk von seinem Freund erhält, dann schämt er sich vor ihm - und damit der Mensch sich beim Erhalt des Genusses nicht schämt, wurde uns die Arbeit in  Tora und Mizwot gegeben, damit wir uns durch die Bemühung in  Tora und Mizwot den Erhalt der Belohnung verdienen. Das heißt, nachdem wir geeignete Kelim haben, um den Genuss und die Fülle vom Schöpfer zu erhalten - ohne während des Empfangs des Genusses Scham zu empfinden - wird vom Himmel alles Gute und Wonne gegeben.

Nun werden wir auch die Frage von vorhin verstehen. Denn sechs (Wochen-)tage ist uns die Arbeit in der Vorbereitung der Kelim gegeben, damit sie geeignet werden für den Empfang des Genusses, und das wird als die „Bemühung“ bezeichnet. Und am Shabbat ist die Zeit, um den Genuss zu empfangen, und nicht um Kelim zu korrigieren. Daher wird Shabbat als „Einstellung der Arbeit“ oder „Ruhe“ bezeichnet, und alle Kelim, die man am Vorabend des Shabbat vorbereitet hat, füllt man am Shabbat, denn Shabbat ist meEjn Olam haBa - ähnlich der Kommenden Welt.

Und gemäß dem oben Gesagten werden wir die Moralvorschrift lernen, was wir tun müssen, also verstehen, dass wir die Bemühung um unserer Selbst Willen brauchen, um das Gute und den Genuss zu empfangen. Und der Schöpfer wird uns helfen.

Von Yehuda, der dir und deiner Familie Fülle, Segen und Erfolg, Überfluss, Glück und Freude wünscht.

Baruch Shalom Halevi Ashlag

[1] 2. Buch Moses 23,12

 

Brief Nr. 73

Ich werde ein wenig bezüglich deiner Fragen erklären, was der „Schmuck“ im Punkt des Willens ist. Du hattest angefragt [und berichtet], dass es dir schwer fällt, dies zu verstehen.

Um das Konzept des Schmuckes zu verstehen, muss man zuerst nachvollziehen, was bei diesen Dingen gemeint ist, d. h. was einem schwer fällt und was einer Erklärung bedarf.

Es ist bekannt, dass es in der Welt nichts gibt außer zwei Dingen: dem Schöpfer und der Schöpfung, d. h. der Schöpfer will den Geschöpfen Genuss schenken, wie es geschrieben steht: „Sein Wille ist, den Geschöpfen Gutes zu tun.“ Und aus diesem [Seinem] Aspekt resultierte die Welt Ejn Sof (die Welt der Unendlichkeit). Das heißt, da sein Wille darin besteht, Gutes zu tun, erschuf Er ein „Etwas aus Nichts“, also einen Willen, den Genuss, den Er geben möchte, zu empfangen. Natürlich war dabei dieser [neu erschaffene] Wille genau groß genug, um das gesamte Licht zu empfangen, denn sonst, also wenn das Gefäß kleiner gewesen wäre als das Licht, wäre ja das Geschöpf nicht in Vollkommenheit erschaffen worden, doch sicher hat der Heilige, gesegnet sei Er, eine vollkommene Sache erschaffen, denn es ging doch darum, dass Er einen Willen schuf, um jenes besondere Licht zu empfangen, welches er für die Geschöpfe bestimmte.

Und gemäß diesem Willen wurde das Licht herangezogen und es erfüllte ihn vollkommen, und das ist die Definition [des Ausspruchs], dass das Licht „die ganze Wirklichkeit erfüllte“, da der Wille zu empfangen dem Licht kein Ende und keine Grenze vorsetzte, verbreitete es sich ins Innere des Gefäßes des Empfangens. Das heißt, wenn dieser Aspekt herangezogen wurde, dann konnte es keinen Ort in der Welt geben, an dem der Schöpfer nicht wahrgenommen wurde, und sogar wenn der Mensch in dem Verlangen nach dem Empfangen von Genuss nur für sich selbst versank, nahm er auch dann den Schöpfer wahr. Erst nachdem die Einschränkung, Zimzum, vollzogen wurde, um nicht mehr mit der Absicht nur für sich zu empfangen, wurde es in unserer Welt so, dass wenn der Mensch in seinen Verlangen versinkt, er die Göttlichkeit (den Schöpfer) nicht spürt; und der Beginn der Arbeit besteht darin, dass der Mensch daran glauben muss, dass es in der Welt einen Schöpfer gibt, und das ist nur wegen der Verhüllung, die aufgrund der Macht der Einschränkung entstand.

Und nun: Über die Welt Ejn Sof haben wir gelernt, dass in Ihm der Wille aufstieg, usw. und Er sich selbst zurückzog (einschränkte). Und er erklärt, dass Seine Absicht darin bestand, dadurch zum Aufstieg des Willens [zu empfangen] zu verhelfen: Da der Wille zu empfangen im Gegensatz zum Willen zu geben steht, wählte er die Zugabe der Anhaftung (Dwekut), wobei die Anhaftung die Angleichung der Form darstellt; dabei wollte er dem Gebenden ähneln, und so vollzog er einen Zimzum (Einschränkung)[1]. Das könnte man, Gott bewahre, so verstehen, als hätte es in der Welt Ejn Sof das Problem des Gegensatzes zwischen Licht und Gefäß gegeben, bis schließlich [das Gefäß] das Bedürfnis gehabt hätte, sich zu korrigieren und für diese Korrektur die Einschränkung vollzogen hätte.

Und er bringt dort Aussprüche von Rabbi Elieser, dass bevor die Welt erschaffen wurde, „Er und Sein Name eins waren“, was bedeutet, dass es keinerlei Änderung gab zwischen dem Licht, genannt „Er“, und „Seinem Namen“, genannt Gefäß, dessen Wesen der Wille zu empfangen ist. Und er erklärte, dass das Gefäß „Sein Name“ heißt, weil „Sein Name“ (שמו) in der Gematria „Wille“ (רצון) bedeutet. Und demnach fällt es ihm schwer [zu erklären], warum, wenn es doch keinen Gegensatz zwischen dem Gefäß und dem Licht gab, es so notwendig war, eine Korrektur vorzunehmen, damit es zu einer Angleichung komme, dass er sich dafür selbst einschränkte (bzw. eine Einschränkung vollzog).

Deswegen erklärt er, dass diese Korrektur nicht aufgrund von einem Mangel (Chissaron) stattfand, also nicht weil er etwa eine Gegensätzlichkeit wahrnahm, sondern als Schmuck. Und den Unterschied zwischen einem Schmuck und [der Empfindung von] Mangel kann man mittels des folgenden Gleichnisses verstehen. Der Rav einer Stadt veranstaltete eine Versammlung und versandte an alle Herren und wichtigen Männer der Stadt eine Nachricht, sie mögen sich in der Synagoge versammeln, da er ihnen etwas mitzuteilen wünschte.

Der Rav bestieg die Bühne und hielt eine flammende Rede über die Wichtigkeit des Gebots, Almosen zu geben, um ihnen anschließend zu berichten, dass gerade aus dem Ausland ein aufrechter Mann und Tora-Gelehrter gekommen ist, belastet mit Kindern, einer Familie von acht Menschen, und sie kein Essen haben, nicht einmal für eine Mahlzeit, und keinen Platz, wo sie wohnen könnten, und dass die Familie nur dank der Hilfe von Frauen aus der Gemeinde hier ist, und er fordert daher, dass jeder von seinem Geld mehr als nur nach seiner Möglichkeit spendet, da es hier wirklich um die Rettung von Menschenleben geht, da sie nicht einmal einen Ort zum Wohnen haben. Und während seiner Rede weinte der Rav.

Selbstverständlich ist das Volk Israel ein barmherziges Volk, und jeder gab mehr als nur nach seiner Möglichkeit, und so sammelte er einige Tausend Pfund für die Familie. Und das, weil jeder Einzelne den Mangel in dieser Sache spürte, und deshalb steuerte jeder Einzelne dazu bei, den verspürten Mangel zu korrigieren.

Im nächsten Jahr versammelte der Rav wiederum wichtige Personen der Stadt und rief sie wieder auf, und weinte und wehklagte herzerweichend, und brachte ihnen die Wichtigkeit des Gebots der Barmherzigkeit nahe, dass wir nämlich durch die Barmherzigkeit das Exil verlassen und der vollkommenen Erlösung würdig werden.

Und danach erzählte er ihnen, dass seine Frau, die Rabbanit, bei der Hochzeit irgendeines Reichen aus den USA war und dort sah, wie die Frau des Reichen einen Pelzmantel trug im Wert von 3000 Pfund sowie Diamantenschmuck im Wert von 3000 Pfund, und so bittet sie nun auch ihn, ihr für 6000 Pfund diesen Schmuck zu kaufen. Und der Rav vergießt Tränen, man möge sich seiner erbarmen und ihm diese Summe geben, und er hätte sie nicht gebeten, sie ihm zu geben, wenn er nicht im vergangenen Jahr gesehen hätte, dass sie ihm 6000 Pfund für den Armen gegeben haben, damit dieser mit seiner Familie über die Runden kommt, und das natürlich, weil ihre Herzen voller Erbarmen sind; und daher bittet er sie nun um diese Summe für den Schmuck der Rabbanit. Und er weint und schreit: barmherzige Juden, Söhne der Barmherzigkeit!

Natürlich lachen sie, umso mehr, je mehr der Rav schreit, und sie sagen: Für den Schmuck, mit dem sich deine Frau zu schmücken beliebt, sollen wir uns ihrer erbarmen? Welches Erbarmen gibt es hier? Bei dem oben genannten Armen dagegen ging es um das Notwendigste, und das heißt Chissaron (Mangel), und alle spürten diesen Mangel, und so hatte jeder von uns die Pflicht, das zu korrigieren.

Aus diesem Gleichnis werden wir den Unterschied zwischen Mangel und Schmuck verstehen. Um Mangel handelt es sich, wenn man bloß ist und alles entbehrt - dann sprechen wir vom Konzept der Barmherzigkeit. Wenn man dagegen ein Haus voller guter Dinge hat, aber keinen Schmuck, der Luxusware ist und nur wenigen in der Generation vorbehalten ist, dann kann man nicht von Mangel sprechen, da man auch ohne das leben kann.

So auch hier: Als das Licht den ganzen Willen zu empfangen ausfüllte, sodass kein leerer Ort, frei von Höherer Fülle, verblieb, wie es geschrieben steht, dass das Höhere Licht die gesamte Wirklichkeit erfüllte und kein freier Raum war, dann heißt das: „Er und sein Name sind Eins“, d. h., es war kein Unterschied zwischen dem Licht und dem Kli erkennbar, denn wenn es kein Gefäß gegeben hätte, dann hätte es auch keine Wirklichkeit für das Licht gegeben, um sich zu verbreiten, d. h., der Wille, Seinen Geschöpfen Gutes zu tun, hätte nicht in die Praxis umgesetzt werden können, wenn es keine Wirklichkeit des Willens zu empfangen gegeben hätte. Daher gibt es keinen Unterschied zwischen dem Licht und dem Kli, denn beide verfügen über dieselbe Bedeutung für das Ziel.

Wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage, warum es überhaupt einen Zimzum (Einschränkung) gegeben hat. Und die Antwort darauf ist, dass der Zimzum den Schmuck zum Zwecke hatte. Das bedeutet, dass man ausschmücken muss, um ein Geschenk zu verbessern, wie bereits oben erklärt. Obwohl er bereits alles Gute hat, da das Licht das gesamte Kli erfüllt, kann er dennoch die Wirklichkeit besser gestalten, indem der Empfang von Höherer Fülle nicht als Aspekt des Empfangens, sondern als Aspekt des Gebens definiert wird, also indem er empfängt, um dadurch zu geben, was als tatsächliches Geben gilt.

Denn wer zwang ihn? War es etwa nicht so, dass man ihm gegeben hat und er empfing? Und wenn er wollte, hätte er in diesem Zustand verbleiben können, und alles Gute wäre sein. Doch er wählte, dass es für ihn lohnenswerter ist, einen Zimzum auszuführen und zu empfangen, nur um zu geben, denn dadurch würde er in Übereinstimmung der Eigenschaften mit dem Schöpfer sein.

Und erst später, nach dem Zimzum, wurde dies zum Chissaron (Mangel), denn so ist die Regel, dass was beim Höheren ein Wille ist, beim Unteren zum verpflichtenden Gesetz wird. Daher hat der Untere keine Wahl mehr, d. h., sogar wenn er will, bekommt er nicht. Folglich finden wir, dass nun, also nach dem Zimzum, der Wille zu empfangen als Chissaron gilt, da man in sein Inneres nichts mehr empfangen kann, und er wird betrachtet als ein dunkler Ort; und erst wenn man beginnt, Dinge für das Geben zu tun, beginnt man, sich anzugleichen, und man beginnt, aus der Herrschaft des Zimzum auszutreten, und man beginnt, den Schöpfer zu spüren, in dem Maße wie man imstande ist, für das Geben zu handeln.

Und wenn du weitere Fragen zu diesem Thema hast, dann schreibe mir die Stellen mit denen du Schwierigkeiten hast, und ich werde mich bemühen, nach meinen Kräften zu erklären, und hauptsächlich müssen wir hoffen, dass der Schöpfer uns ein höheres Wissen schenken möge, damit wir verstehen und begreifen, hören und lernen und uns lehren zu halten und zu tun und zu erfüllen usw.

[1] Anm. Ü.: Der Übergang im Text von „Er“ (Schöpfer) und „er“ (Wille zu genießen) ist in diesem Absatz fließend und nicht überall eindeutig geklärt.

 

Brief Nr. 71

An meinen Freund....

Sehr sehne ich mich danach zu hören, wie es dir geht.

„So sollst du sagen dem Hause Jakob und verkündigen den Kindern Israel.“[1] Und Raschi erklärte: „Haus Jakob“ - das sind die Frauen, sage es ihnen in sanfter Sprache. „Und verkündigen den Kindern Israel“ - das, so erklärte er, sind die Bestrafungen und die feinen Einzelheiten für die Männer, Worte hart wie Sehnen (nach der Mechilta eine Wortspielerei, denn „verkündigen“ und „Sehnen“ haben im Hebräischen viele Buchstaben gemeinsam).

Und im Sohar (Jitro 261 sowie im Sulam) heißt es: „So sollst du sagen dem Hause Jakob; also eben durch das Sagen, d. h. vonseiten des Gerichts (Din). Und verkündigen den Kindern Israel usw., ‚den Kindern Israel' meint die Männer, die von der Seite der Barmherzigkeit kommen.“[2]

Die Bedeutung der Worte des Sohar, den Frauen solle es durch das Sagen mitgeteilt werden, also vonseiten des Gerichts (Din), besteht darin, dass die Frauen von der Seite der Eigenschaft des Gerichts  kommen. Und zu den Männern sprach er mit der Eigenschaft der Barmherzigkeit, denn sie kommen vom Aspekt der Barmherzigkeit.

Aus den Worten von Raschi verstehen wir aber das Gegenteil, dass er mit den Männern in Worten hart wie Sehnen sprach und mit den Frauen in sanfter Sprache.

Und hier muss ich erklären, dass sie eigentlich das Gleiche sagen, nur dass man zuvor begreifen muss, was der Aspekt des Gerichts, Din, darstellt und was der Aspekt der Barmherzigkeit, Rachamim, ist. Auf Din treffen wir, wenn zwei Menschen sich an ein Gericht wenden. Der eine sagt, der ganze [Tallit] sei sein, und der andere sagt, der ganze [Tallit] sei sein.[3] Das heißt, wenn einer sagt, etwas wäre ganz sein, dann handelt es sich um die Eigenschaft des Gerichts (Din). Und der Aspekt von Rachamim (Barmherzigkeit) ist der Aspekt des Gebenden, wie die Weisen sagten: „Wie Er barmherzig ist, so sei auch du barmherzig.“[4] Somit folgt daraus, dass die Eigenschaft des Gerichts den Empfangenden auszeichnet und der Aspekt von Barmherzigkeit den Gebenden auszeichnet.

Als weiblich wird bezeichnet, wer sich im Aspekt des Mangels (Chissaron) befindet, also der Empfangende. Und männlich wird der Gebende genannt.

Demzufolge heißt Nukwa (weiblich/Frau) die Eigenschaft des Gerichts, also der Empfangende. Und wenn man einem Empfangenden sagt, dass er sich dem Aspekt des Gebens widmen solle, so liegt das nicht in seiner Kraft, denn das ist gegen seine Natur. Wenn man also von ihm will, dass er sich dem Dienst für den Schöpfer widme, dann muss man zu ihm in sanfter Sprache reden, also in einer Sprache, die er versteht und zwar in der Sprache des Empfangens, wie oben erläutert, denn jemand, der sich im Aspekt von Nukwa befindet, also im Aspekt des Gerichts, willigt nur um der Belohnung Willen in die Arbeit ein. Und das ist [die Erklärung von] „sanfte Sprache“.

Doch zu den Männern, die sich im Aspekt der Gebenden befinden, zu ihnen kann man in einer Sprache „hart wie Sehnen“ sprechen, denn die Sache des Gebens ist für den Körper schwer anzuhören, da der Körper gerade den Empfang begehrt. Und da er sich im Aspekt von „männlich“ befindet, also über die Überwindungskraft verfügt[5], nämlich seine Eigenschaften zu überwinden vermag, spricht man von ihm vonseiten der Eigenschaft der Barmherzigkeit, wobei „barmherzig“ das Geben meint.

Und so werden wir die Worte von Raschi verstehen: „Haus Jakob - das sind die Frauen, sage es ihnen in sanfter Sprache.“ Wie oben beschrieben; wenn Einer sich im Aspekt von „weiblich“ befindet, also die Kraft des Körpers nicht überwinden kann, und „weiblich“ heißt, wie in „Er wurde schwach wie ein Weib“[6], dann muss man in sanfter Sprache zu ihm reden, denn er befindet sich im Aspekt von „um Belohnung zu erhalten“; damit ist der Körper einverstanden. Wenn er jedoch die Kraft zur Überwindung hat, dann kann man zu ihm in der Sprache von Rachamim (Barmherzigkeit) sprechen, und sein Anliegen ist das Geben.

Möge der Ewige uns helfen, das Böse in uns zu überwinden, und mögen wir des Empfanges der Tora würdig werden.

Von deinem Freund, der sich gute Nachrichten von dir erhofft,

Baruch Shalom Halevi Ashlag

[1] 2. Buch Moses 19,3

[2] Sohar, 2. Teil 79, 70:2

[3] Aus der Mishna Baba Mezia, 1a

[4] Shabbat 133, 70b

[5] Gever (Mann) und Hitgabrut verfügen im Hebräischen über die gleiche Wurzel

[6] Brachot 32, 10a

 

Brief Nr. 70

An meinen Freund, der mir unter den Menschen der Liebste ist...

Wie geht es dir... möge der Ewige dir in allen Fragen deines Herzens zum Guten helfen, und möge dir alles, was du tust, gelingen.

Der Heilige Sohar schreibt in WaJishlach 19,20 und im Sulam ebd. wie folgt: „Wer gering ist und wartet des Seinen, der ist besser, denn der groß sein will und des Brotes mangelt.“[1] Im Vers „Wer gering ist usw.“ geht es um Jakob, der sich vor Esau erniedrigte, damit sich später [die Versprechung] erfüllt, dass dieser später sein Knecht sein würde, und von ihm beherrscht und in ihm weiterleben würde: „Völker müssen dir dienen und Nationen sich vor dir neigen.“[2]

Komme und siehe: Da Jakob wusste, dass er (Esau) ihn im Moment braucht, stellte er sich ihm als unwürdig dar. Und dabei hat er mit mehr Klugheit und Schläue gehandelt, als je zuvor in allem, was er gegen Esau tat, und wenn Esau dies gespürt hätte, dann hätte er sich [eher] umgebracht, als dass dies dazu gekommen wäre.

Und hier muss man nachvollziehen, was daran, dass er sich nun Esau unterwarf, so klug war, dass der Sohar sagt, dass wenn Esau davon wüsste, er sich umbringen würde.

Das muss man nach meinem Vater und Lehrer, seligen Andenkens, so erklären, dass dies ethische Praxis ist, also damit der Mensch wisse, wie er sich in der Arbeit des Schöpfers zu verhalten habe. Bei Esau sehen wir, dass Jakob sich ihm unterwarf und ihm Geschenke brachte, Esau aber nicht annehmen wollte und ihm antwortete: „Ich habe genug“[3], bis Jakob ihn schließlich anflehte, er möge seine Geschenke annehmen. Bei Laban sehen wir dagegen, dass Laban ihm das Gegenteil sagte: „Die Töchter sind meine Töchter, und die Kinder sind meine Kinder, und die Herden sind meine Herden, und alles, was du siehst, ist mein.“[4]

Und man muss wissen, dass es im Bösen Trieb zwei Arten gibt, genannt zwei Arten von Klipot (Schalen).

Vor der Tat, wenn der Mensch eine Mizwa erfüllen oder etwas studieren möchte, kommt er (der Böse Trieb) und sagt zu ihm: Es ist nicht lohnenswert für dich, das zu tun, denn du tust es ja nicht um des Himmels Willen, sondern du tust es nur für mich, also für den Bösen Trieb.

„Die Töchter sind meine Töchter“[5], d. h., alle Einsichten[6], die du im Dienst für den Schöpfer hast, sind nur von mir eingegeben, und du besitzt keinerlei Wissen (oder Erkenntnis) der Tora. „Und alles, was du siehst, ist mein“[7], d. h., alles, was du siehst, wenn du auf die Tora und die Gebote schaust, all das geht auf meine Rechnung, und das ist „Böser Trieb“. Und wenn dem so ist, warum solltest du dich dann so sehr um die Tora und um gute Taten bemühen, wenn es doch nicht um des Himmels Willen sind und dieser Dienst vom Schöpfer nicht angenommen wird? Du wirst sowieso keinen Lohn dadurch verdienen, und wenn dem so ist, dann musst du nichts Gutes tun.

Dann muss der Mensch ihn überwinden und ihm sagen: Was du sagst, stimmt nicht, denn ich tue alles um des Himmels Willen, und alles, was ich tue, wird vom Schöpfer angenommen, und der Schöpfer hat Freude daran. Und es sollte dir reichen, dass ich für dich arbeite, also dass ich dir zu essen und zu trinken und Ähnliches gebe, doch was den Dienst für den Schöpfer betrifft, so hast du kein Recht, dich in diese Dinge einzumischen.

Aber nachdem der Mensch gute Taten vollbracht hat, gilt das Gegenteil: Dann muss er zu seinem Bösen Trieb (der dann „Esau“ heißt, da die Sache bereits vollbracht ist[8], also nach der Tat) sagen, ich gebe dir alles, d. h., alles, was ich getan habe, war für dich, also lo liShma. Und das heißt, dass er ihm Geschenke gibt, was die Tora und die Gebote meint, dass er also behauptet, dass dies zu Esau gehört.

Dann behauptet Esau das Gegenteil: „Ich habe genug“[9], und ich will deine Tora und deine Gebote nicht. Esau sagt zu ihm also, du hast alles um des Himmels Willen getan, und sowieso bist du ein großer Jehudi (Jude), und du musst es allen deinen Freunden stolz vorzeigen, dass sie es nicht um des Schöpfers Willen tun und du doch. Das heißt, er (der Böse Trieb) möchte, dass er sich mit Stolz erfüllt.

Wer sich aber im Aspekt des Jakob befindet, behauptet andersherum: Die Tora und die Gebote gehören dir, und ich muss nun Tshuwa (Rückkehr) tun, da ich dem Schöpfer Freude schenken möchte und ich meine Unwürdigkeit spüre, dass ich noch weit von der Wahrheit entfernt bin, also davon, alle meine Taten an den Schöpfer zu richten. Das ist es, was zwischen Jakob und Esau stattfindet.

Möge der Schöpfer uns helfen, uns von Laban und von Esau zu erretten, und mögen wir der vollkommenen Erlösung bald, in unseren Tagen, würdig werden.

Von Jehuda, der dir und deiner Familie alles Gute wünscht, Sela.

[1] Sprüche, 12,9

[2] 1. Buch Moses 27,29 Völker müssen dir dienen, und Leute müssen dir zu Fuße fallen. Sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Kinder müssen dir zu Fuße fallen. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet.

[3] 1. Buch Moses 33,9

[4] 1. Buch Moses 31,43

[5] Ebd.

[6] „Die Töchter“ und „Einsichten“ buchstabieren sich im Hebräischen gleich

[7] Ebd.

[8] Im Hebräischen gleiche Schreibweise: „Esau“ und „Asuj“ (getan)

[9] 1. Buch Mose 33,9

 

Brief Nr. 50

Shalom und alles Gute an meinen Freund...

Die Kommentatoren hatten Schwierigkeiten mit dem Vers: „Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm wurde bange[1]“, denn hat der Ewige ihm nicht in der Vision der Leiter versprochen, ihn auf allen seinen Wegen zu behüten, wie es geschrieben steht: „Und siehe, Ich bin mit dir und Ich will dich behüten, wohin du ziehst“, und wenn dem so ist, warum musste er dann beten: „Errette mich aus der Hand meines Bruders, aus der Hand von Esau[2]“usw.?

Der Heilige Sohar erklärt (in WaJishlach 43) die Worte der Engel an Jakob: „Und er zieht dir entgegen mit vierhundert Mann[3]“, indem er fragt: Warum sagte man ihm so? Und er antwortet darauf: Um dich zu lehren, dass der Schöpfer nach dem Gebet der Gerechten dürstet.

Und mein Vater und Lehrer seligen Andenkens erklärte, warum der Heilige, gelobt sei Er, den Geschöpfen nicht ohne Gebete alles Gute gibt, sondern will, dass sie Ihn bitten, um ihnen dann zu geben, denn es ist doch bekannt, dass der Wunsch der Kuh zu stillen größer ist, als der Wunsch des Kalbes zu saugen. Doch es gibt die Regel, nach der es ohne ein Gefäß kein Licht gibt. Und das Gefäß heißt Wunsch. Denn im Spirituellen gibt es keinen Zwang aufgrund der Tatsache, dass man keinen Geschmack von Genuss an einer Sache verspüren kann, zu der man keine Lust hat, da das Wesen der Empfindung von Genuss vom Maß der Lust und des Willens abhängt, die man zu einer Sache empfindet. Daher gibt der Schöpfer nur dann, wenn die Geschöpfe Willen und Lust haben.

Der Wille eines Menschen formt sich seinerseits eben durch Gebet, denn sobald der Mensch einen Mangel verspürt, beginnt er zu beten, und dadurch vergrößert und vermehrt sich sein Gebet, bis zu einem Maß, da es geeignet wird, die Höhere Erfüllung zu empfangen. Und deswegen „dürstet der Schöpfer nach dem Gebet der Gerechten“.

Dabei ist es bekannt, dass wir in der Höheren Fülle immer zwei Aspekte unterscheiden: das Umgebende Licht (Or Makif) und das Innere Licht (Or Pnimi). Das Umgebende Licht ist das, was der Mensch in der Zukunft empfangen wird, zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht zu empfangen würdig (geeignet) ist. Das Innere Licht meint das, was der Mensch in sein Inneres empfängt, was bedeutet, dass die Fülle in sein Inneres eintritt.

Und gemäß dem, was wir zuvor gesagt haben, dass nämlich allem, was man empfängt, ein Gebet vorausgehen soll, damit es ein Gefäß gibt, um die Fülle in Empfang zu nehmen, folgt, dass sogar nach dem, was der Heilige, gelobt sei Er, ihm bei der Vision der Leiter versprochen hatte, es sich immer noch um Umgebendes Licht handelt. In dem Moment jedoch, als er Esau traf und also der Rettung in der Gegenwart bedürfte, musste er beten und den Willen offenbaren, definiert als Gefäß für die Errettung, denn ohne ein Gefäß kann man nicht empfangen. Und das heißt Inneres Licht. Denn das Versprechen heißt Umgebendes Licht, sobald man jedoch zur Erfüllung des Versprechens kommt, bedarf man des Gebetes, und das heißt (dann) Inneres Licht. Denn das Umgebende Licht ist die Erweckung von Oben, und das Innere Licht ist die Erweckung von unten.

Mit dem Segen von Tora und von Freundschaft,

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

[1] 1. Buch Moses 32,8

[2] 1. Buch Moses 32,12

[3] 1. Buch Moses 32,7

 

Brief 41

Shalom und alles Gute an meinen Freund...

Heute habe ich Deinen Brief im Anhang erhalten, teurer Freund. Möge es Sein Wille sein, dass Du gewürdigt wirst, den Geschmack von Lieblichkeit, Pracht und Süße des Ewigen zu schmecken. Denn bei allen Dingen müssen wir hoffen, ihrer würdig zu werden, denn das Sehnen nach guten Dingen heißt Gebet, und das ist der Aspekt von Chissaron (die Empfindung von Mangel) - wenn der Mensch fühlt, dass ihm diese Sache fehlt, und dass der Heilige, gelobt sei Er, ihn erfüllen wird. Das heißt der Mensch muss hoffnungsvoll darauf warten, wann er in seinem Herzen all die guten Dinge verspürt, die der Schöpfer uns beim Empfang der Tora versprochen hatte, wie es geschrieben steht: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern[1]“ usw. „Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein[2]“.

Und wir sehen, dass es in unserer Welt so ist, dass wer über einen großen Besitz mit allem Guten verfügt, stets gehobener Stimmung ist. Und wir sind das auserwählte Volk, wie es geschrieben steht: „Du wähltest uns aus von allen Völkern[3]“, und dann sollte es doch sein, dass jeder Einzelne aus dem Volk Israel stets gehobener Stimmung und immer in Freude ist? Aber solange der Mensch noch nicht dessen würdig wurde, all diese guten Dinge als ein Gefühl in seinem Herzen wahrzunehmen, begeistert er sich nicht für das, was er da mit seinen Lippen spricht: „Du wähltest uns aus.“

Denn beim Empfang der Tora handelt es sich vor allem um die Innerlichkeit der Tora, eingekleidet in die Äußerlichkeit der Tora. Dabei heißt die Tora in dem Aspekt von Pnimiut (Innerlichkeit) die Namen des Schöpfers, was bedeutet, dass der allgemeine Name des Schöpfers „der Gute und Gutes Tuende“ ist, und da der Heilige, gelobt sei Er, vielerlei Genüsse schenkt, die allesamt im Aspekt der Schenkung von Güte an Seine Geschöpfe eingeschlossen sind, so stellt die Tora Namen der Genüsse dar, wobei jeder Genuss einen anderen Namen hat. Das heißt der allgemeine Name von „gut und Gutes tuend“ wird in einigen Einzelheiten spezifiziert. Und diese Innerlichkeit kleidet sich in der Tora in Äußerlichkeit.

Und der Mensch muss sich danach sehnen, dem Aspekt der Innerlichkeit der Tora würdig zu werden, denn dann nimmt man all die guten Dinge wahr, die der Schöpfer uns versprochen hatte, und dann sagt man: „Du wähltest uns aus“ – also nachdem der Mensch bereits den ganzen guten Besitz fühlt, dessen wir würdig wurden; und hierfür heißen wir „ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk[4]“.

Und das ist das Konzept von „Und das ganze Volk sah die Stimmen[5]“, d. h. in dem Moment, wenn man die Stimme des Ewigen in seinem Herzen hört, dann ist diese Empfindung so stark, als würde man es sehen, „denn kein Mensch wird leben, der Mich sieht[6]“. Dadurch, dass sie die Stimmen sahen, d. h. durch die Stimme des Ewigen, die sich ins Innere des Herzen verbreitet, nicht in das Ohr - denn das Ohr ist für den Menschen eine äußere Sache, und nur das Herz ist der Mensch; deswegen muss die „Stimme des Ewigen“ zu einer Empfindung im Herzen werden, und dann heißt es „...sah die Stimmen“. Und dann lebt jeder Einzelne in einer Welt, die gänzlich gut ist, und das Konzept von „Du wähltest uns aus“ wird bereits im Herzen verspürt, denn der Mensch hat schon von der höheren Pracht und Lieblichkeit geschmeckt, und die wonnige Süße des Lichtes des Schöpfers verbreitet sich in seinem ganzen Herzen, und dann sieht man, dass „das Glück ist Dein - in dieser Welt (Olam haSe), und gut ist dir - in der kommenden Welt (Olam haBa)[7]“.

Wegen der Heiligkeit des Shabbat und des nahenden Feiertags kann ich jetzt nicht weiter schreiben, und möge der Ewige uns helfen, auf dass wir würdig werden, die Tora in Vollkommenheit zu empfangen.

Von Jehuda, der Dir und Deiner Familie alles Gute wünscht,

Baruch Shalom haLevi Ashlag

[1] 2. Buch Moses 19,5

[2] 2. Buch Moses 19,6

[3] Zitat aus dem Gebet an den Hohen Feiertagen

[4] 2. Buch Moses 19,6

[5] 2. Buch Moses 20,18

[6] 2. Buch Moses 33,20

[7] Sprüche der Väter 6,4

 

Brief Nr. 39

Shalom und alles Gute an meinen Freund...

Gemäß der Tradition habe ich die zehn Pfund (Englische Pfund Sterling) für Purim besorgt, und das ist der halbe Shekel (Silberling), und ein Shekel hat zwanzig Gera[1], und ein halber Shekel hat zehn. Und im Heiligen Sohar steht geschrieben, dass ein halber ShekelJud“ heißt, also zehn, und das ist ein Messstein für die Spende an den Ewigen (Ki Tissa, 4).

Und man muss die Worte des Heiligen Sohar wie folgt erklären: Das Konzept des halben Shekel ist dann, wenn der Mensch beginnt, in seinem Verstand abzuwägen, wie er zum Ewigen zurückkehren soll, wenn er doch selbst weiß, dass er viele Sünden und Vergehen begangen hat. Daraufhin sagt der Heilige Sohar, dass der Mensch wissen soll, dass er sich stets im Zustand von Hälfte gegen Hälfte befindet, d. h. eine Hälfte von Verdiensten und eine Hälfte von Sünden, und dass er immer die Möglichkeit hat, die Waage auf die Seite der Verdienste zu neigen. Wie die Weisen sagten: „Stets soll der Mensch sich als halb schuldig und halb freigesprochen fühlen. Hat er ein Gebot erfüllt, so sei er gesegnet, denn er hat sich selbst und die ganze Welt auf die Seite des Verdienstes (des Freispruchs) geneigt[2]“ usw.

Und die Bedeutung hiervon müssen wir gemäß den Worten der Weisen interpretieren: „Jeder, der größer ist als sein Freund, dessen [Böser] Trieb ist auch größer als der des Freundes [3]“. Das hat zur Ursache, dass wenn ihm kein größerer Böser Trieb verliehen wird, er auch keine Wahl haben wird, denn wenn das Gute größer ist als das Böse, hat er keine Möglichkeit zu wählen, da eine Wahl eben nur dann stattfindet, wenn beide gleich sind und er derjenige ist, der die (Waagschale) neigt.

Und in diesem Sinne sollst du verstehen, was die Weisen sagten: „In der Zukunft wird der Heilige, gelobt sei Er, den Bösen Trieb heranführen und ihn vor den Augen der Gerechten und vor den Augen der Bösewichte schlachten. Den Gerechten wird er wie ein hoher Berg erscheinen, und den Bösewichten – wie ein dünnes Haar[4].“ Und hier müssen wir verstehen, wer hat nun Recht? Das heißt was ist die Größe des Bösen Triebes? Es ist so, wie ich bereits erklärt habe: Bei den Bösewichten, die nur wenige Verdienste haben, ist auch der Böse Trieb nicht so groß, sondern wie ein „dünnes Haar“ - damit es „Hälfte gegen Hälfte“ ist, und wenn es wenig Gutes gibt, dann muss es auch wenig Böses geben. Gerechte dagegen, die viele Verdienste haben – sie müssen auch einen großen Bösen Trieb haben, und daher ist bei den Gerechten der Böse Trieb „ein hoher Berg“.

Und so wirst du das schwere Problem aller Welt lösen, die es sich mit dem Vers schwer macht: „Geh hinein zu Pharao, denn ich habe sein Herz verhärtet (wörtl. schwer gemacht)[5]“ – denn dadurch, dass Er sein Herz verhärtete, hat ihm der Heilige, gelobt sei Er, die [freie] Wahl genommen?

Doch nach dem, was ich bereits erklärt habe, läuft es auf das Gegenteil hinaus: denn dadurch, dass der Ewige sein Herz verhärtete, hat er nun die Möglichkeit, noch einmal eine Wahl zu treffen. Denn als Pharao sagte: „Der Ewige ist gerecht, ich aber und mein Volk sind Bösewichte“, sehen wir, dass er sich bereits der Seite des Verdienstes zuneigte, und dass er vollständig gut ist und dass er da nichts mehr zu tun braucht. Deswegen musste der Schöpfer als Gegenseite zum Guten in ihm auch seinen bösen Trieb vergrößern, wie die Weisen sagten: „Jeder, der größer ist als sein Freund, dessen [Böser] Trieb ist auch größer als der des Freundes“. Als also der Heilige, gelobt sei Er, das Herz von Pharao verhärtete, schaffte Er ihm damit Raum, um nochmals eine Wahl zu treffen.

Auf dass wir würdig werden, vom Ewigen zweierlei zu erhalten, Heilung und Erlösung.

Von dem Freund, der Dir und Deiner Familie alles Gute wünscht,

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

[1] 2. Buch Moses 30,13

[2] Kiddushin 40a

[3] Sukka 52a

[4] Sukka 52a

[5] 2. Buch Moses, 10,1

 

Brief 36

An meine Freunde im Heiligen Land, mögen sie ewig leben.

Diese Woche habe ich zwei Briefe von ... erhalten, und auf seine Frage ... werde ich gesondert eingehen.
Im Allgemeinen Folgendes: die Weisen sagten: „Wer beim Nachruf des Weisen faul ist, verdient es, zur Lebzeit begraben zu werden“ (Shabbat 105). Und man muss fragen, warum der Mensch eine solch harte Bestrafung verdient.

Man muss wissen, dass Faulheit immer dem Ort entspringt, wo kein Mangel verspürt wird; nur dort treibt sich die Faulheit herum. An einem Ort dagegen, wo es einen Mangel gibt, erwacht stets Bewegung, um Ideen aufzustellen und den Mangel zu erfüllen. Wenn also einer keinen Mangel beim Hinscheiden eines Weisen verspürt, dann heißt es, dass er beim Nachruf des Weisen faul ist.

Und es stellt sich die Frage, warum er beim Hinscheiden des Weisen keinen Mangel verspürt. Man muss hier also notwendigerweise sagen, dass er auch zu Lebzeiten des Weisen nichts von ihm erhalten hatte. Daher verspürt er keinen Mangel, wenn der Weise dahinscheidet.

Und das ist es, was die Weisen [meinten, als sie] sagten: „Er verdient es, zur Lebzeit begraben zu werden“. „Zur Lebzeit“ bedeutet die Lebzeit des Weisen, d.h. er ist nicht gerade jetzt nicht in Ordnung, während er beim Nachruf faul ist, sondern er war schon damals nicht in Ordnung. Daher lautet die Erklärung von „…verdient es, zu seiner Lebzeit begraben zu werden“: zur Lebzeit des Gerechten.

Doch für alles gibt es eine Heilung, wohingegen [geschrieben steht:] „Wenn Einer einen Weisen verschmäht, dann gibt es keine Heilung für seine Wunde“ (Shabbat 119). D.h., es ist nicht genug, dass er beim Nachruf des Weisen faul ist, sondern er sagt auch noch, dass er mit dem Weisen zusammen auf einer Stufe steht – in einer Verbindung. Für den Gerechten gibt es keine größere Schande, und so sagten die Weisen, dass es für seine Wunde keine Heilung gibt. Sondern er steigt jedes Mal immer tiefer herab, bis er schließlich für alle sein wahres Bild offenbart, nämlich dass sein Studium der Thora für ihn zum tödlichen Gift wurde, Gott bewahre uns.

Und meine allgemeine Antwort ist, dass der Feiertag von Sukkot (Laubhüttenfest) alle Fragen löst, und sogar die schwierigsten und die schrecklichsten, denn es ist bekannt, dass das Konzept der Sukka (Laubhütte) den Aspekt von Zila deEmanuta (Schatten des Glaubens) darstellt, und vonseiten der Gerechtigkeit (Din) bräuchte man Zilta meruba meChamta (der Schatten ist größer als die Sonne).

Und hier sollst du wissen, dass Chama (Sonne) den Aspekt von Wissen meint, und der Mond den Aspekt des Glaubens bedeutet. Und das in der Weise, wie die Weisen sagten: „Israel zählt nach dem Mond, und die Völker der Welt zählen nach der Sonne“[1]. D.h. jedes Mal wenn man sieht, dass der Anteil der Sonne größer ist als der Schatten, muss man [die Laubhütte] mehr bedecken, damit der Schatten größer wird.

(Der Rest des Briefes ist noch nicht übersetzt)


[1]Sukka 29, 70:1
 

Brief Nr. 30

An meinen lieben Freund....

Deinen Brief von Shushan Purim habe ich erhalten und genossen, da du der Einzige bist, der mir ein paar Einzelheiten darüber schreibt, was dort los ist.

Zu dem, wo die Kinder lernen sollen: Es ist besser, sie lernen an einer Lehranstalt von Chassidim. Denn in jedem Fall ist man bei einer chassidischen Lehranstalt sicherer vor der Gefahr von Drogen - in anderen Lehranstalten hingegen läuft man in diese von der Umgebung ausgehende Gefahr hinein.

Bezüglich deiner Bitte, etwas aus dem Sohar zu erklären - daran bin ich nicht interessiert. Ich habe da zwar verborgene Geschmäcker (Taamim)...Einen Geschmack allerdings kann ich dir aufschreiben. Und zwar: Wenn man irgendetwas tut, so muss derjenige Physisches oder Spirituelles dabei verdienen. Im Physischen lohnt es sich, Geld zu verdienen – es gibt zwar auch andere gute Geschäfte in der Welt, aber ihnen widme ich mich nicht, da ich mich nicht mit Geschäften befassen will. Was das Spirituelle angeht, also dass ich einen Anteil an der Leiter des Sohar erhalte, so habe ich da bereits einen großen Anteil an diesen Büchern, weil die Tora mich mit zwei Teilen beschenkt hat, und da es durch das Urteil der Tora nur vier Erben gibt, und mir zwei Teile zustehen,... wenn dem so ist, dann muss ich nicht kaufen, d. h. ich muss kein Geld bezahlen, um zu erhalten, was mir zusteht. Aber diesbezüglich habe ich verborgene Geschmäcker.

Versuche bitte, mir alle der kleinsten Einzelheiten von dem zu berichten, was dort los ist. Und ich segne dich mit der Reinheit des Feiertags.

Baruch Shalom Halevi Ashlag

 

Brief Nr. 16 und 26

Brief Nr. 16

Der Einfluss der Umgebung auf den Menschen

21. Dez.1955

Möge ein verwehtes Blatt heil werden und lasse sie sagen, dass ich in der Gesandtschaft ihres Erschaffers bin, fliegend unter Fliegenden, Die große Tamariske, der der Höhere Eine beisteht, unser verherrlichter Lehrer, Rav…

Ich habe Euren Brief erhalten, und möge der Ewige uns erleuchten, dass unser Weg der richtige ist, und wir werden uns stark an den Gedenktag erinnern. Dann werden wir würdig des Lichtes der Erinnerung, welches für die Reinigung der materiellen Luft gut ist, und wir werden die Luft der Heiligkeit atmen, das wahre und ewige Leben.

Ich möchte hinzufügen, dass Ihr wie folgt schriebt: „Ich bin sicher, dass, hätte ich den größten Agnostiker gesehen, usw….“

Es ist das Gesetz bekannt, welches in der ganzen Welt wirkt: Es ist schlecht, wenn ein Spezialist in seiner Sache in die Umgebung von Unprofessionellen (Laien) gerät und von ihnen lernt. Das heißt, wenn er ein wahrer Spezialist ist, zum Beispiel ein Schuhmacher, der bei unprofessionellen Schuhmachern lernt und diese ihm zu verstehen geben, dass es sich nicht lohnt, qualitativ gute Schuhe herzustellen, sondern er solle einfach tun, so wie es geht .

Oder nehmen wir einen Schneider. Einen Spezialisten auf seinem Gebiet. Wenn er in eine Gruppe von unprofessionellen Schneidern gerät und diese ihm zu verstehen geben, dass man sich nicht anstrengen und keine Mühen unternehmen brauche, um Kleider schön und sauber zu nähen, damit sie den Käufern gefallen, so muss er sich vor ihnen hüten und sich von ihnen entfernen.

Wenn aber ein Baumeister in eine Gruppe von Schneidern kommt, dann kann er von ihnen nichts Schlechtes lernen, weil es zwischen ihnen keine Verbindung gibt. Doch im gleichen Beruf muss sich jeder hüten und nur mit Menschen zu tun haben, die reinen Herzens sind.

Und gemäß dem Gesagten muss man sich bei jedem, den man für einen Diener des Schöpfers hält, hüten und sehen, ob er ein wahrer Spezialist ist, das heißt, ob er danach strebt, dass sein Weg rein und heilig und auf den Schöpfer ausgerichtet ist. Und jedes Mal, wenn man sieht, dass er etwas nicht weiß oder dass er nicht gut arbeitet, sollte man nach Wegen suchen, um ein Spezialist zu werden und nicht einfach so oder nur für die Belohnung arbeiten.

Als gut und professionell gilt derjenige Arbeiter, der sich nicht auf den Lohn verlässt, sondern die Arbeit selbst genießt – zum Beispiel, wenn ein professioneller Schneider sieht, dass seine Kleider hinsichtlich aller Parameter dem Kunden passen, und sein spiritueller Genuss darin größer ist als der vom empfangenen Geld.

Wenn es sich dagegen nicht um Menschen deines Berufes handelt, ist ein Zusammensein mit ihnen nicht schädlich, weil du ein Baumeister bist und sie Leder bearbeiten. Wenn sich jedoch Menschen mit der Tora und Mizwot beschäftigen, aber nicht für eine Kleidung sorgen, die dem Besteller gebührt, dann heißt das, dass sie über einen Verstand verfügen, der gegen die Tora ist – der Ansicht der Tora entgegengesetzt, weil diese es nicht zulässt, dass nur um des Wissens willen studiert wird. Und hier musst du ständig auf der Hut sein [...] und dich von solchen Menschen entfernen, wie ein Pfeil, den man von einem Bogen abschießt. Bei gewöhnlichen Menschen ist dies aber nicht so.

  • Was die religiösen Zionisten (Anshei Misrachi) betrifft – wenn man keine Verbindung zu ihnen hat, dann braucht man sich nicht zu sehr vor ihnen hüten.
  • Vor orthodoxen Juden (Agudat Israel) muss man sich schon in Acht nehmen.
  • Und vor Chassiden muss man sich noch mehr hüten.
  • Auf Menschen aber, die meinem Vater (Baal HaSulam) nahestanden, muss man ganz besonders Acht geben und die Augen offen halten.

Doch in Wirklichkeit gibt es in alledem noch einen zusätzlichen Sinn, der vom heiligen ARI besonders betont wurde und von Baal HaSulam in seinem Buch „Lehre der Zehn Sefirot“ erläutert wurde. Warum fiel in der Welt Nekudim der Melech (König) ha Daat, der sich auf der Stufe Keter befand und der erste Parzuf war, der hervorgekommen ist, während des Zerbrechens der Gefäße unter alle Melachim (Könige), die nach ihm zerbrachen? Das ist deshalb so, weil jener, der gröber ist und einen Massach (Schirm) hat, auch höher steht. Doch sobald bei ihm der Massach schwindet, wird er schlimmer als alle und fällt unter alle anderen Parzufim.

Bei denjenigen, die den Weg des Schöpfers gehen, verdoppelt sich eben der Wunsch nach Genüssen sowohl im Materiellen als auch im Spirituellen. Daher hatten diejenigen, die Baal HaSulam nahe standen, zu der Zeit, als sie sich auf ihn stützten, einen Massach und Awiut (Grobheit). Und nun haben sie niemanden, dem sie sich beugen können, und es gibt nichts, was sie bändigt, und sie haben keinerlei Interesse, einen Massach zu schaffen, und ihre ganze Arbeit besteht nur darin, in der ganzen Welt wie gute Juden auszusehen oder zu großen „Rebbes“ (Rabbinern) zu werden.

Dies ist Awiut ohne einen Massach. Und dieser Verlust von allem, was sie hatten, kam von selbst. Und bei mir rufen sie in allem Misstrauen hervor, und es gibt niemanden, der sie aufhält oder unterstützt. Ich fasse mich kurz, weil ich nicht will, dass sie in meinen Gedanken sind, so wie dir die Regel bekannt ist: „Wo sich die Gedanken des Menschen befinden, dort ist auch er selbst!“

Doch weil du mir als ein Mensch bekannt bist, der die Wahrheit kennenlernen möchte, war ich verpflichtet, in meine Gedanken Awiut ohne Massachim (Mehrzahl von Massach) einzuschließen, was zum Zerbrechen der Gefäße gehört, weil sie sich noch nicht auf den Weg erhoben, der es erlaubt, sie aufzulesen und zu sortieren.

Und damit das klarer wird, werde ich dir ein kurzes Beispiel anfügen. Bekanntlich existiert zwischen jeglichen zwei Stufen eine Zwischenstufe, welche beide zusammen in sich einschließt:

  • Zwischen der bewegungslosen und der pflanzlichen Stufe gibt es eine Zwischenstufe, die „Korallen“ heißt.
  • Zwischen der pflanzlichen und der tierischen Stufe gibt es die „Feldsteine“, welche lebendige Geschöpfe darstellen, die sich durch ihren Bauchnabel an der Erde festsaugen und daraus saugen.
  • Und zwischen dem Tier und dem Menschen gibt es den Affen.

Und daher muss man fragen: Was ist die Zwischenstufe zwischen Wahrheit und Lüge, und wo ist jener Punkt, der diese beiden Eigenschaften gleichzeitig in sich einschließt?

Und bevor ich das erkläre, werde ich noch eine Regel hinzufügen: Bekanntlich ist es unmöglich, etwas Kleines zu sehen, während es dagegen einfacher ist, etwas Großes zu sehen. Wenn daher der Mensch in einer kleinen Lüge steckt, ist er nicht in der Lage, die Wahrheit darüber zu sehen, dass er den Irrweg beschreitet und dabei sagt, dass er den Weg der Wahrheit geht. Und es gibt keine größere Lüge und Täuschung als das. Und alles, weil seine Lüge nicht groß genug ist, dass er die Wahrheit sehen kann.

Dem ist aber nicht so, wenn der Mensch bereits viel Lüge erwirbt und folglich das Maß an Lüge in ihm wächst, und wenn er sehen wollen wird, kann er sie bereits sehen. Und daraus folgt, dass er jetzt, wenn er diese Lüge sieht und versteht, dass er den Irrweg beschreitet, den wahren Zustand sieht, das heißt, er sieht die Wahrheit in seiner Seele, wie er sich auf den richtigen Weg begeben kann.

Dieser Punkt, nämlich der Punkt der Wahrheit, dass er den Irrweg, den Weg der Lüge geht, ist also der Zwischenpunkt zwischen Wahrheit und Lüge. Und es gibt eine Brücke, die Wahrheit und Lüge miteinander verbindet, und dieser Punkt ist der Endpunkt der Lüge. Und von diesem Punkt an beginnt bereits der Weg der Wahrheit.

Und über diesen Weg ist uns aus dem, was mein Vater und Lehrer schrieb, klar, dass um liShma (für den Schöpfer) würdig zu werden, man zunächst das größte lo liShma (für sich) vorbereiten muss, und erst danach können wir liShma erlangen. 

Deshalb kann man sagen, dass lo liShma als „Lüge“ und liShma als „Wahrheit“ bezeichnet werden kann. Wenn die Lüge klein ist, das heißt, wenn Mizwot und gute Taten geringfügig sind, verfügt der Mensch über eine kleine Absicht lo liShma und ist daher nicht in der Lage, die Wahrheit zu sehen, und sagt deswegen, dass er den guten und wahren Weg geht, das heißt, er glaubt, dass er sich mit liShma beschäftigt – d. h., dass er alles für den Schöpfer tut.

Wenn er sich aber Tag und Nacht mit der Tora und den Mizwot [im Sinne von] lo liShma (für sich) befasst, dann ist er in der Lage, die Lüge zu sehen, weil durch die Vermehrung der Täuschung die Lüge riesig wird. Und es ergibt sich, dass er wahrhaftig sieht, dass er den Weg der Lüge geht, und dann beginnt er, seine Taten zu korrigieren, das heißt, er fühlt, dass alles, was er tut, nur für ihn und nicht für den Schöpfer ist.

Und von diesem Punkt geht man auf den Weg der Wahrheit über, das heißt zu liShma. Und nur hier, in diesem Punkt, beginnt, dass man „von lo liShma zu liShma kommt“, aber nicht zuvor, solange der Mensch vorgibt, sich mit liShma zu befassen. Wie könnte er seinen Zustand und Weg ändern, solange er so denkt?

Wenn also der Mensch faul bei der Arbeit ist, ist er nicht in der Lage, die Wahrheit zu sehen, wie er in der Lüge versinkt. Und nur wenn wir unsere Bemühungen in der Tora und Mizwot mehren, um unserem Erschaffer Freude zu bereiten, nur dann können wir die Wahrheit sehen, wie wir den Irrweg (den Weg der Lüge) gehen, der als lo liShma bezeichnet wird. Und das ist der Zwischenpunkt zwischen der Wahrheit und der Lüge.

Daher sollten wir uns auf dem Weg des Schöpfers festigen, wie mein Vater und Lehrer uns beauftragte, und mögen wir uns in fester Überzeugung bekräftigen, damit jeder Tag für uns wie ein neuer Beginn ist, indem man ständig die Grundlage erneuert. Dadurch werden wir eines Fundaments würdig werden, das niemals einstürzen wird, und wir werden vorwärtsschreiten.

Dein Freund Baruch Shalom HaLevi Ashlag

 

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Brief Nr. 26

7. Dezember, 1956, Manchester

Hallo und alles Gute meinem Freund, dem nettesten, der stets Rechtschaffenheit und Gnade sucht und mit Tugenden gekrönt ist!

Heute erhielt ich deinen Brief mit 20 Gerah, was ein Shekel ist. Ich werde dir heute etwas über Hanukka schreiben, was ich von Baal HaSulam hörte, eine Erklärung zu den Worten unserer Weisen: „Was ist Chanukka? Hanu Ko (lagerten so weit/hier)“. Er sagte, es gibt dabei drei Stufen: 1) Ko, 2) „Das“. Unsere Weisen sagten: „Alle Propheten sagten in ‚Ko’ weis und Moses sagte in ‚Das’ weis“. Hanukka wird als Ko angesehen.

Baal HaSulam erklärt diese Worte anhand eines Gleichnisses: Wenn die Soldaten im Krieg einige Zeit lang gekämpft haben, erhalten sie im Anschluss eine Ruhepasue an einem schönen Ort mit gutem Essen und Trinken. Die Absicht des Befehlshabers besteht darin, ihre Stärke zu erneuern, damit sie nicht ermüden, sondern erneut zum Schlachtfeld zurückkehren können. Doch jemand, der nicht aufpasst, könnte denken, dass der Krieg vorbei ist. Doch in Wahrheit ist er nicht vorbei und die Pause dient nur zum Schöpfen neuer Kraft und neuen Mutes, um noch einmal zur Front zurückzukehren.

So ist das auch mit Chanukka. Es ist die Bedeutung von Hanu (lagern/pausieren), wo das lagern nicht wegen der Ganzheit bzw. wegen eines erleuchtenden Spiegels ist. Vielmehr ist lagern Ko (hier/so weit), also unvollständig, mit einem Spiegel, der nicht erleuchtet. Anders gesagt ist der Krieg der Neigung noch nicht vorbei, jedoch müssen wir zur Vollkommenheit gelangen. Das ist die Bedeutung von Hanu-Ko, lagern wie in Ko, das höhere Geben zu empfangen, damit sie Kraft sammeln, um erneut in den Krieg der Neigung zu ziehen.

Daraus folgt, wenn einer am Weg des Schöpfers geht, erhält er viele Erweckungen von Oben – mitten im Gebet oder wenn er Tora studiert oder eine Mitzwa ausführt. Diese Erweckung geht in das Herz und er spürt dann den Geschmack und die Gnade der Heiligkeit.

Er sollte jedoch wissen, dass er diese Fülle nur bekam, um neue Kraft zu schöpfen und in der Arbeit stärker zu werden, wodurch er sich im Kriege der Neigung noch mehr anstrengen kann. Immer wenn er eine kurze Ruhepause hat, also die Fülle erhält (denn wenn ein Mensch Erweckung von Oben erhält, scheint es ihm, als wäre der Krieg vorbei), beginnt er, die Schönheit und Pracht der Heiligkeit zu fühlen, bis er die Arbeit letztendlich ausschließlich für den Schöpfer macht.

Doch da ein Mensch seine Arbeit nicht wirklich beendet, wird ihm die Erweckung wieder weggenommen, und er fällt in den vorigen Zustand zurück, in welchem er Schönheit und Pracht nur in materiellen Dingen sah und die Spiritualität als überflüssig erachtete. Dann vertieft er sich in Tora und Mizwot nur aus Zwang und nicht weil er ein Verlangen danach hat und Freude daran empfindet, wie ehemals, als er erweckt wurde.

Dieses Erwecken symbolisiert die Chanukka Kerze. Wenn er daher klug ist, soll er sich immer anstrengen, bis er Hilfe von Oben erhält und mit Vollkommenheit belohnt wird.

Lass uns hoffen, dass der Schöpfer uns unsere Augen öffnet und unsere Herzen für immer erfreut.

Von deinem Freund, der dir und deiner Familie das Beste wünscht,

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

Sohn von Baal HaSulam

 

Brief Nr. 23

An [meine] Freunde, mögen sie ewig leben

Ich möchte mich, da ein neues Jahr naht, der Gruppe [in der Weise] annähern, dass wir uns in dem starken Vertrauen festigen sollen, dass wir in der allgemeinen Erlösung der [persönlichen] Erlösung würdig werden, dass sich der Name des Ruhmes Seines Königreichs auf der ganzen Erde offenbart, dass die Entfernten hören und kommen, also dass sie fühlen, dass sie von der Arbeit an der Reinheit der Heiligkeit entfernt waren, und dem Aspekt des Hörens würdig werden. Dann entsteht die Vereinigung vom Tun und Hören, und das ist es, was die Schrift meint, [wenn sie sagt]: „Der den Armseligen aufrichtet aus dem Staub und erhöht den Armen aus dem Kot.“[1]

Es ist bekannt, dass es zwei allgemeine Aspekte gibt:

  1. Den Aspekt von Mocha (Verstand)
  2. Den Aspekt von Liba (Herz)

Wenn der Mensch an seiner Arbeit den Geschmack des Aspektes von Staub verspürt, gemäß „Eine Schlange, all ihre Nahrung ist Staub“, wenn also der Geschmack, den er an der Tora und den Geboten verspürt, nur der Geschmack von Staub ist, dann liegt der Grund dafür darin, dass er armselig ist, dass ihm der Aspekt des Glaubens fehlt. Und also fällt er in den Aspekt von Liba (Herz) hinein, wenn der Wille zu empfangen diese Welt begehrt, genannt „Kot“; und dann ist er „arm“.

Und wenn er das bedauert, d. h. wenn er darum betet und zum Schöpfer schreit, Er möge ihm aus seinem Elend heraushelfen, und was schreit er [dann]? – „Der den Armseligen aufrichtet aus dem Staub“. Nachdem ich armselig bin und den Geschmack von Staub verspüre, und ich arm bin und in den Kot geworfen, und alles wegen der Verhüllung des [göttlichen] Anlitzes, in welches die Welt eingetaucht ist, dann bitten wir den Schöpfer, Er möge uns herausführen aus der Knechtschaft in die Freiheit.

Und das ist die Bedeutung des Prinzips, dass einer, der ein Gebet hat, neben der Säule (Amud) betet. Und im Sulam[2] wird erklärt, dass die Säule den ACHaP des Höheren bedeutet, der in Galgalta we Ejnaim des Unteren gefallen ist. Und während der Höhere seinen ACHaP erhebt, steigt auch das Galgalta we Ejnaim des Unteren auf. Und wie es geschrieben steht, steigen daher die Seelen gerade mittels der Säule von einer Welt in die andere auf; und das ist die Verbindung zwischen dem Höheren und dem Unteren.

Für unseren Weg kann man auf diese oben angeführte Weise erklären, dass dadurch, dass die Kelim (Gefäße) des Höheren an den Ort des Unteren gefallen sind, d. h. wenn der Höhere in Katnut (Zustand des Kleinseins) ist, [dann] fühlt das der Untere. Und das ist das Konzept von „Wenn Israel im Exil ist, weilt die Shechina (göttliche Allgegenwart) unter ihnen“(Sohar). Das heißt auch die Shechina ist bei ihnen im Exil, genannt Shechinta beAfra (Shechina im Staub), wie oben beschrieben, wenn der Mensch in der Tora und an der [spirituellen] Arbeit den Geschmack von Staub spürt.

Und wenn der Mensch das Exil der Shechina bedauert, d. h. die Shechina selbst ist, Gott bewahre, nicht im Exil, sondern sie verhüllt sich vor Israel und erlaubt, dass der Untere alles Mögliche vom Höheren sagt. Und der Untere spricht so, weil er so fühlt.

Und wenn der Mensch es bedauert, und auf alle Weisen darum betet, dass die Shechina sich aus dem Staube erheben möge, dann offenbart sich dadurch der Höhere mit all seiner Größe dem Unteren, und dann erhebt sich auch der Untere von allein. Und so finden wir, dass dies die ganze Säule ist, von der oben die Rede war, d. h. eben mittels dieser Säule steigen die Gebete von einer Welt in die andere auf, also zu immer helleren Erleuchtungen, und deswegen muss man neben eben dieser Säule beten.

So werden wir verstehen, warum Rosh haShana und Jom Kippur Feiertage genannt werden, obwohl es doch Tage des Gerichts sind. Denn der Kern des Gerichts besteht in der Vollkommenheit, die sich zu diesen Zeiten offenbart, und es besteht der Verdacht auf Klipot, also dass der Mensch nicht zum Empfangen für sich in Mocha und in Liba gelangt, und deswegen muss man sich vermehrt der Erweckung zur Rückkehr widmen.

Dabei besteht die Rückkehr in der Rückbringung des Willens zu empfangen zum Willen zu geben, und dadurch kehren [die Menschen] zurück und haften sich an ihre Höhere Quelle an, und werden der ewigen Anhaftung würdig. Und dann können sie die Vollkommenheit empfangen, die sich in den Tagen des Gerichts [3] offenbart, denn seine Speisen werden an Rosh haShana festgelegt, d. h. es offenbart sich das Licht von Weisheit (Chochma), Vollkommenheit und Helligkeit.

An uns ist es, Gefäße vorzubereiten, die empfangen können, und zwar das Licht Chassadim, welches es heranzuziehen gilt, was den Aspekt von Rückkehr (Tshuwa) und Erweckung von Rachamim (Barmherzigkeit) darstellt, im geheimen Sinne von „Wer ist barmherzig, nur Du bist barmherzig“ [4]. Dann werden wir die ganze Vollkommenheit auf der Seite der Reinheit empfangen können.

Deswegen heißt es „Feiertag“, wegen der Offenbarung der Vollkommenheit. Und das ist das Konzept von „Blaset am Neumond den Shofar, an der Verhüllung (des Mondes) an unserm Festtag“[5], denn das Prinzip von Shofar kommt von „Shafru Maasechem“[6] (eure Werke schmücken), denn jetzt gibt es einen Stuhl (ein Wortspiel: Das Wort „Stuhl“ hat die gleiche Wurzel wie „Verhüllung“) zum Weißfärben, also den Aspekt von Chassadim.

Ich kann nicht länger schreiben wegen des nahenden Feiertags, und ich wünsche euch eine Eintragung (in das Buch des Lebens) und eine gute Besiegelung.

Von eurem Freund Baruch Shalom Ashlag

[1]Psalmen 113,7

[2]Sulam-Kommentar auf den Sohar von Yehuda Ashlag

[3]Jamim Noraim, wörtl. schreckliche Tage, die 10 Tage zwischen Rosh HaShana und Jom Kippur

[4]Shabbat 133 70,2

[5]Psalmen 81,4

[6]WaJikra Rabba 29,6

 

Brief Nr. 15

Wie kann es sein, dass Jakob Rachel mehr liebte als Lea, weil sie sehr schön war usw., ist denn nicht der Ausspruch der Weisen über den Mann bekannt, der „eine Frau wegen ihrer Schönheit heiratet“? [1]

Antwort: Die Tora lehrt uns die Wege des Schöpfers. Und zwar, dass es zwei Aspekte in der (spirituellen) Arbeit gibt: 1. Den Aspekt von Chochma und 2. den Aspekt von Chassadim. Chochma heißt der Aspekt des Sehens und des Wissens, und sie heißt auch Alma de Itgalja (offenbarte Welt). Und es gibt den Aspekt von Alma de Itkassja (der verborgenen Welt), genannt Lea, und das ist der verborgene Sinn des Verses „Die Augen von Lea waren matt“ [2], denn das ist der Aspekt von Chassadim und vom Glauben über dem Verstand.

Und das ist das Konzept von Jakob und Lavan. Jakob heißt der Diener des Schöpfers und Lavan heißt der Heilige, gelobt sei Er, der ein Gebender und ein Schenkender ist (der heilige ARI erklärt in Ez Chaim in Shaar Akudim, dass Lavan (wörtl. weiß) das Höhere Weiß meint, und das ist der Gebende). Und Lavan hat zwei Töchter, also zwei Stufen: Der Aspekt von Lea heißt verborgene Welt, und Rachel heißt offenbarte Welt.

Nun bezieht sich das Ziel der Schöpfung, den Geschöpfen Gutes zu schenken, auf den Aspekt der offenbarten Welt. Und Alma de Itkasja (verborgene Welt) heißt Aspekt von Lea, und diese heißt Licht der Anhaftung (Dwekut).

„Und Jakob liebte die Rachel“ [3], d. h. er wollte das Licht des Zieles der Schöpfung heranziehen. Lavan jedoch sagte, dass er erst den Aspekt von Lea empfangen soll, die in der verborgenen Bedeutung das Licht der Anhaftung meint, genannt Or de Chassadim.

„Da aber der Ewige sah, dass Lea missfällig war“ [4], also dass Jakob mit Lea nicht zufrieden war, da gab ihm der Schöpfer Vermehrung und Nachkommen gerade von Lea, um ihm zu zeigen, dass man gerade mithilfe des Lichts der Anhaftung der Vermehrung [Fortpflanzung] in der Tora und in der Arbeit würdig wird.

Doch damit einher bedarf man auch der Korrektur von Rachel, d. h. der Anziehung des Lichts vom Ziel der Schöpfung, definiert als der Aspekt von Chochma. Und hierfür sagte Rachel zu ihm: „Schaffe mir Kinder, wo nicht, so sterbe ich.“ [5], Das heißt Jakob muss zusehen, dass er alle Korrekturen vorbereitet, die für den Aspekt von Rachel nötig sind, damit er Vermehrung und Nachkommen auch auf der Stufe von Alma de Itgalja (offenbarter Welt) hat, denn sonst wird er keine Vermehrung und Fortpflanzung haben, wird er keine Lebenskraft in dieser Arbeit spüren, und dann wird er diese Stufe verlassen müssen, und das ist im Vers definiert: „...wo nicht, so sterbe ich.“ [6] Also musste er den Aspekt von Chassadim in den Aspekt von Chochma hereinziehen.

Und das ist das Konzept von „ und Gott dachte an Rachel und Gott hörte auf sie.“ [7] Und die Erklärung dazu: „an“ meint, durch das Verdienst von Lea [8]. Erklärung: dadurch, dass er den Aspekt von Chassadim in Chochma hereingezogen hat. Das heißt auf der Basis von Chassadim kann man den Aspekt von Alma de Itgalja (offenbarte Welt) heranziehen.

Möge der Schöpfer uns helfen, im Glauben auf den Wegen des Schöpfers zu wandeln.

[1] Jebamot 109a, „Wenn jemand sie wegen ihrer Schönheit nimmt, so ist es gleich wie wenn er eine Inzestuöse nehmen würde…“

[2] 1. Buch Moses 29,17

[3] 1. Buch Moses 29,18

[4] 1. Buch Moses 29,31

[5] 1. Buch Moses 30,1

[6] Ebd.

[7] 1. Buch Moses 30,22

[8] BeReshit Raba 73,3

 

Brief Nr. 5

1426 - Brief Nr. 5

Am 24. Februar 1955


Meinem Freund,

Ich las deinen Brief von nach Shabbat-Ausgang dieser Woche, und dein Bedürfnis deine Zustände offen zu legen, welche in der Zeit von Brief zu Brief vorbeigegangen sind, bereitet mir großes Vergnügen. Sicher wird der Schöpfer unsere Augen durch seine Tora erleuchten.

Meine Meinung dazu ist, dass du mehr in die Liebe zu Freunden investieren solltest. Und es ist unmöglich anhaltende Liebe zu erreichen, es sei denn durch Dwekut [Anhaftung]. Das heißt, dass du beide Teile in einer starken Verbindung vereinigen sollst. Und das kann nur geschehen, wenn du versuchst, die Kleider „abzulegen“, in welche die innere Seele gehüllt wurde - diese Kleidung wird „Eigenliebe“ genannt. Denn nur diese Kleidung trennt zwischen zwei Punkten.

Doch wenn man auf dem geraden Weg geht, werden die zwei Punkte, die als zwei Linien wahrgenommen werden, die sich gegenseitig widersprechen, zu einer Mittleren Linie, welche beide Linien zusammen enthält. Und wenn ihr fühlt, dass ihr euch im Krieg befindet, dann wird jeder wissen und fühlen, dass er die Hilfe seines Freundes braucht, und dass ohne ihn gleichzeitig auch die eigene Kraft weniger wird. Und wenn man versteht, dass man sein Leben retten muss, wird jeder von euch vergessen, dass er einen Körper hat, den er behalten muss, und ihr werdet beide durch den Gedanken verbunden sein, wie mit dem Feind umzugehen ist. Deshalb beeile dich, und die Wahrheit wird den Weg weisen, und du wirst ganz sicher erfolgreich sein. Und setze den Briefwechsel fort.

Baruch Shalom HaLevi Ashlag

                                                                                                                                                                                                             

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