11. Aus den Worten der Weisen des Talmuds sehen wir aber, dass sie uns den Weg der Torah mehr erleichterten als die Weisen der Mischna, weil sie sagten: „Es soll sich der Mensch immer mit der Torah und den Geboten sogar i.S.v. Lo Lishma beschäftigen, und von Lo Lishma wird er zu Lishma gelangen, weil das Licht, welches in der Torah eingeschlossen ist, ihn zu der Quelle zurückführt.“
Dadurch stellten sie uns ein neues Mittel statt der in der Mischna beschriebenen Askese zur Verfügung „das Licht, welches in der Torah eingeschlossen ist“, in welchem eine Kraft vorhanden ist, die ausreicht, um den Menschen zu der Quelle zurückzuführen und ihn zu Studien der Torah und den Geboten i.S.v. Lishma zu führen. Denn sie erwähnten hier keine Askese, sondern wiesen darauf hin, dass die Beschäftigung nur mit der Torah und den Geboten einem Menschen ausreichend Licht gibt, welches ihn zu der Quelle zurückführt, damit er sich mit der Torah und den Geboten nur zu dem Zweck beschäftigen kann, dem Schöpfer Genuss zu bereiten, und nicht zum Selbstgenuss, was eben „Lishma“ heißt.
12. Auf den ersten Blick kann man zwar an ihren Worten zweifeln: haben wir nicht etwa einige Studenten gefunden, denen das Studium der Torah nicht soweit genutzt hat, um mittels des Lichtes, welches sich in ihr birgt, zu Lishma zu gelangen? Die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten i.S.v. Lo Lishma bedeutet aber, dass der Mensch an den Schöpfer glaubt, an die Torah, an Belohnung und Strafe, und sich mit der Torah beschäftigt, weil der Schöpfer es befohlen hat, sich mit ihr zu beschäftigen, verbindet aber den Selbstgenuss damit, dem Schöpfer Genuss zu bereiten.
Und wenn nach all der Arbeit in der Torah und in den Geboten es dem Menschen klar wird, dass er mittels dieser Beschäftigung und großer Bemühung keinen Genuss und Eigennutzen bekommen hat, bedauert er alle von ihm unternommenen Anstrengungen, da er sich von Beginn an in der Vermutung peinigte, dass auch er Genuss an solchen seinen Bemühungen haben wird, was eben als Lo Lishma bezeichnet wird.
Nichtsdestotrotz erlaubten es die Weisen, die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten auch i.S.v. Lo Lishma zu beginnen, weil man von Lo Lishma zu Lishma gelangt. Wenn solch ein Mensch aber noch nicht des Glaubens an den Schöpfer und an seine Torah gewürdigt wurde, sondern in Zweifeln verweilt, so kennzeichnen die Sprüche der Weisen ihn mit: „Von Lo Lishma gelangt man zu Lishma“. Und es steht auch nicht über ihn: „Die Beschäftigung mit der Torah führt dazu, dass das Licht, welches sich in ihr birgt, zur Quelle zurückführt“. Denn das Licht, welches in der Torah eingeschlossen ist, leuchtet nur demjenigen, der über den Glauben verfügt. Mehr als das entspricht die Größe dieses Lichts der Stärke seines Glaubens. Und im Gegenteil bekommen diejenigen, die des Glaubens beraubt sind, von der Torah Finsterns, und es wird dunkel in ihren Augen.
13. In Verbindung damit gaben die Weisen bereits ein schönes Gleichnis auf die Worte: „Wehe denen, die den Tag des Schöpfers begehren! Wozu wollt ihr ihn, den Tag des Schöpfers? Da ist Dunkel, und nicht Licht!” (Amos, 5:18). Das Gleichnis berichtet von dem Hahn und der Fledermaus, die auf das Licht warten. Es sagte der Hahn zur Fledermaus: „Ich warte auf das Licht, weil das Licht meines ist. Und du, wozu brauchst du das Licht?” (Sanhedrin, 98, S.2) Daraus wird ersichtlich, warum jene Studierten nicht dessen würdig wurden, von Lo Lishma zu Lishma zu gelangen. Sie hatten keinen Glauben, und erhielten daher keinerlei Licht von der Torah, und das bedeutet, dass sie im Dunkeln wandern werden und sterben werden, ohne die Weisheit zu erreichen.
Denjenigen aber, die des vollen Glaubens gewürdigt wurden, wurde von den Weisen versprochen, dass bei der Beschäftigung mit der Torah, sogar i.S.v. Lo Lishma das Licht, welches sich in ihr birgt, sie zu der Quelle zurückführt. Und sogar ohne vorherige Leiden und asketisches Leben werden sie der Torah i.S.v. Lishma gewürdigt werden, die zu einem Leben voller Glück und Wohl führt, in dieser Welt wie in der zukünftigen. Und von ihnen heißt es: „Dann wirst du deine Lust am Herren haben, und ich will dich über die Höhen auf Erden gehen lassen“ (Jesaja, 58:14).
14. Ähnlich dem oben gesagten erklärte ich einst den metaphorischen Ausspruch der Weisen: „Derjenige, für den die Torah sein Handwerk ist“. In der Beschäftigung mit der Torah wird die Größe des Glaubens eines Menschen erkannt, da die Worte „Sein Handwerk“ («Sein Handwerk“ ??????) aus den gleichen Buchstaben bestehen wie die Worte „Sein Glaube“ („Emunato“ ??????). Das gleicht dem, wenn ein Mensch, der seinem Freund vertraut, ihm Geld leiht. Vielleicht vertraut er ihm nur einen Groschen an, und wenn der ihn um zwei Groschen bitten wird, dann wird er nicht leihen wollen. Und vielleicht wird er ihm Hundert Groschen anvertrauen, aber nicht mehr. Vielleicht wird er ihm aber soweit glauben, dass er ihm die Hälfte seines Vermögens leihen wird, nicht aber das ganze Vermögen. Es ist aber auch möglich, dass er ihm ohne einen Schatten der Furcht das ganze Vermögen anvertraut. Diese letzte Variante gilt als der volle Glaube, während alle vorherigen Fälle nicht als der volle Glaube gelten, sondern als ein partieller, in größerem oder geringerem Maße.
Genauso widmet ein Mensch, entsprechend der Größe seines Glaubens an den Schöpfer, seiner Beschäftigungen mit der Torah und der Arbeit nur eine Stunde am Tag. Ein anderer teilt sich entsprechend dem Maß seines Glaubens an den Schöpfer zwei Stunden zu. Und der dritte lässt keinen einzigen Augenblick unberücksichtigt, um sich mit der Torah und der Arbeit zu beschäftigen. Und es heißt, dass nur der Glaube des Letzteren vollkommen ist, weil er dem Schöpfer im Umfang seines ganzen Zustandes glaubt. Im Unterschied dazu ist der Glaube der Vorausgehenden noch kein voller.
15. Der Mensch sollte also nicht darauf warten, dass ihn die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten zu Lishma führen wird, solange er nicht in der Seele erkannt hat, dass er des angemessenen Glaubens an den Schöpfer und an Seine Torah gewürdigt wurde, denn dann wird ihn das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, zu der Quelle zurückführen, und der Mensch wird des Tages des Schöpfers würdig werden, welcher vollkommen ist. Denn der Glaube reinigt die Augen eines Menschen, damit er das Licht des Schöpfers genießen möge, bis das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, ihn schließlich zu der Quelle zurückführt.
Die Menschen, welche keinen Glauben haben, gleichen Fledermäusen, die nicht das Tageslicht erblicken können, weil dieses sich für sie in eine noch schrecklichere Finsternis als das Dunkel der Nacht verwandelt, denn sie ernähren sich nur im Dunkeln der Nacht. So werden auch die Augen derjenigen, die keinen Glauben haben, durch das Licht des Schöpfers geblendet. Und daher verwandelt sich für sie das Licht in Finsternis, und das Lebenselexir wird für sie zum tödlichen Gift. Und von ihnen heißt es: „Wehe denjenigen, die den Tag des Schöpfers begehren! Wozu braucht ihr ihn, den Tag des Schöpfers? Da ist Finsternis, und nicht Licht!” Daher muss man zuerst unbedingt einen vollen Glauben erreichen.
16. Daraus klärt sich das Problem aus Tosfot (Taanit, 7): „Für jeden, der sich mit der Torah i.S.v. Lishma beschäftigt, wird sie zu einem Lebenselexir. Und für jeden, der sich mit der Torah i.S.v. Lo Lishma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift“. Es fragten die Weisen: „Steht es etwa nicht geschrieben, dass „der Mensch sich immer mit der Torah beschäftigen soll, auch i.S.v. Lo Lishma, denn von Lo Lishma gelangt man zu Lishma“?
Entsprechend dem oben dargelegten kann man eine einfache Einteilung vornehmen:
- In diejenigen, die sich mit der Torah wegen des Gebots, die Torah zu studieren, beschäftigen. Sie glauben an Belohnung und Bestrafung, vereinen dennoch Selbstgenuss und den Eigennutz mit der Absicht, dem Schöpfer Genuss zu bereiten. Und daher führt sie das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, zu der Quelle zurück, und sie gelangen zu Lishma. - Und in diejenigen, die sich mit der Torah nicht wegen des Gebots des Studiums der Torah beschäftigen. Weil sie nicht genug an Belohnungen und Bestrafung glauben, um für das Studium so viele Anstrengungen zu unternehmen, sondern sie bemühen sich nur zum eigenen Genuss. Daher wird die Torah für sie zu einem tödlichen Gift, weil das Licht, welches sich in ihr birgt, sich für sie in Finsternis verwandelt.
17. Daher verpflichtet sich jeder Studierende vor dem Studium dazu, sich im Glauben an den Schöpfer und an Seine Lenkung durch Belohnung und Strafe zu festigen. Wie es die Weisen sagten: „Treu ist Derjenige, für den du dich abmühst, um dir eine Belohnung für deine Mühen zu geben“ (Aussprüche der Väter, 6:5). Und er sollte seine Anstrengungen darauf ausrichten, dass sie für die Gebote der Torah sein würden. Auf diese Weise wird er würdig werden, das Licht zu genießen, welches sich in der Torah verbirgt, und sein Glaube wird sich ebenfalls festigen und durch wunderbare Wirkung dieses Lichtes anwachsen. Wie es geschrieben steht: „Das wird deinem Leibe heilsam sein und deine Gebeine erquicken“ (Sprüche 3:8).
Dann wird zweifellos sein Herz bereit sein, weil aus Lo Lishma Lishma kommen wird. Somit hat sogar derjenige, der selbst weiß, dass er noch nicht des Glaubens gewürdigt wurde eine Hoffnung, das mithilfe der Beschäftigung mit der Torah zu erreichen. Denn wenn er sein Herz und seinen Verstand dahin ausrichten wird, mittels der Torah des Glaubens an den Schöpfer gewürdigt zu werden, dann gibt es schon kein größeres Gebot als dieses. Wie die Weisen sagten: „Es kam Chabakuk und führte alles zu einem zusammen: der Gerechte wird von seinem Glauben leben“ (Makot, 24).
Darüber hinaus gibt es für ihn keinen anderen Rat außer diesem. Wie es heißt (im Traktat Bava-Batra, 16, S.1): „Raba sagte: „Job hat gebeten, die ganze Welt von der Einschränkung zu befreien. Er sagte vor Ihm: „Herr der Welt, du hat die Gerechten erschaffen, Du hast die Sünder erschaffen, wer wird Dich verhindern?“ Und Raschi erklärt: „Du hast die Gerechten mittels des guten Triebs und die Sünder mittels des bösen Triebs erschaffen. Und daher wird sich keiner vor Deiner Hand retten, denn wer wird Dich hindern? Die Sünder sind hörig“. Und was antworteten die Freunde Jobs (Job, 16:4)? “Dadurch vernichtest du Ehrfurcht und führst den Appell an den Schöpfer zunichte. Der Schöpfer erschuf den bösen Trieb, und erschuf die Torah als Gewürz zu dessen Korrektur“.
Raschi erklärt: „Er erschuf die Torah - ein Gewürz, welches „verbrecherische Überlegungen“ wegfegt“. Es steht im Traktat Kidushin, 30, geschrieben: „Wenn dieser Sünder dir geschadet hat, ziehe ihn ins Studium. Ist er ein Stein - wird er erweichen. Daher sind sie keine Hörigen, denn sie können sich erretten”.
18. Es ist jedoch klar: sie können, indem sie sagen, dass sie dieses Gewürz angenommen haben, sich nicht vom Gericht befreien, wenn sie immer noch verbrecherische Überlegungen haben, das heißt immer noch schwanken, und der böse Trieb sich noch nicht abgeschwächt hat. Denn es ist klar, dass der Schöpfer, der den bösen Trieb schuf und ihm Kraft gab, auch wusste, wie richtige Arzneimittel und Gewürze zu kreieren sind, um die Kräfte dieses bösen Triebs aufzuzehren und ihn gänzlich zu vernichten.
Wenn sich aber jemand mit der Torah beschäftigte und den bösen Trieb nicht von sich entfernen konnte, dann ist es, weil er aus Fahrlässigkeit nicht die nötigen Anstrengungen und Mühen unternahm, wie es geschrieben steht: „Bemühte sich nicht und fand - sollst du nicht glauben“. Oder möglicherweise häuften sie eine erforderliche „Quantität“ Anstrengungen an, waren aber bei der „Qualität“ fahrlässig, das heißt während des Studiums der Torah richteten sie ihren Verstand und ihr Herz nicht darauf aus, das in der Torah enthaltene Licht anzuziehen, welches den Glauben ins Herz des Menschen trägt, sondern sie studierten abgelenkt von der Hauptforderung, welche an die Torah gestellt werden soll - das Licht, welches zum Glauben führt. Und sie waren zwar ursprünglich auf den Schöpfer ausgerichtet, wichen aber von Ihm während des Studiums ab.
So oder anders sollte man sich aber nicht vom Gericht unter dem Vorwand des Zwangs befreien, weil die Weisen uns zum Gegenteil durch den folgenden Spruch verpflichten: „Ich erschuf den bösen Trieb und ich erschuf die Torah als Gewürz zu dessen Korrektur“. Und wenn es hier irgendeine Ausnahme gäbe, bliebe die Frage Jobs in Kraft.
19. Mit Hilfe von alledem bisher Erläuterten habe ich eine riesige Mängelrüge bezüglich der Worte von Rav Chaim Vital im Vorwort zum Buch „Tor der Vorworte“ von Ari und im Vorwort zum Buch „Baum des Lebens“ beseitigt: „Es sollte aber der Mensch nicht sagen: „Ich werde gehen und mich mit der Wissenschaft der Kabbalah beschäftigen“, bevor er sich mit der Torah, der Mischna und dem Talmud beschäftigt hat. Denn es sagten bereits unsere Weisen: es soll kein Mensch den Garten betreten (Pardes), bevor er nicht seinen Leib mit Fleisch und Wein gefüllt hat. Denn das würde einer Seele ohne Körper gleichen, für die es keine Belohnung, Tat und Berechnung gibt, bevor sie sich nicht mit einem Körper verbunden hat, einem ganzheitlichen und durch die 613 Gebote der Torah korrigierten.
Und umgekehrt, wenn er sich mit dem Studium der Mischna und des Babylonischen Talmuds befasst, und keine Zeit dem Studium der Geheimnisse der Torah und ihres verborgenen Teils widmet, dann gleicht das einem Körper, der im Dunkeln ohne eine menschliche Seele sitzt - der Kerze des Schöpfers, die in ihm leuchtet. Und dann trocknet der Körper aus, ohne von der Quelle des Lebens zu trinken.
Daher sollte der Schüler eines Weisen, der sich mit der Torah im Sinne von Lishma beschäftigt, sich zunächst mit dem Studium der Torah, Mischna und des Talmuds befassen, soweit wie sein Verstand es aushalten kann, und dann soll er sich der Erkenntnis seines Schöpfers mittels des Studiums der Kabbalah widmen. Wie König David dies seinem Sohn Salomon auferlegte: „Erkenne den Schöpfer, deinen Vater und diene Ihm“ (Schriften, Divrej ha- Jamim, 28:9). Wenn es diesem Menschen aber schwer und hart beim Studium des Talmuds ergehen wird, ist es für ihn besser, ihn beiseite zu legen, nachdem er in ihm sein Glück versucht hat, und sich mit der Kabbalah zu beschäftigen.
Darüber steht geschrieben: „Folglich wird ein Schüler, der in fünf Jahren kein gutes Zeichen in seinem Studium gesehen hat, es nicht mehr sehen (Traktat Chulin, S.24). Aber jeder, dem das Studium leicht fällt, ist verpflichtet, dem Studium der Halacha ein oder zwei Stunden am Tag zu widmen, und sich in der Lösung komplizierter Fragen zu bemühen, die beim einfachen Verständnis der Halacha entstehen“.
20. Auf den ersten Blick sind diese seine Worte sehr merkwürdig, weil er sagt, dass man, bevor man im Studium des offenen Teils Erfolg hatte, beginnen sollte, sich mit der Kabbalah zu beschäftigen, was seinen Worten widerspricht, dass die Wissenschaft Kabbalah ohne den offenen Teil der Torah wie eine Seele ohne Körper ist, für die es keine Tat, Berechnung und Belohnung gibt. Und das Argument, welches er von einem Schüler anführt, der kein gutes Zeichen sah, ist noch merkwürdiger. Denn die Weisen empfahlen es, deswegen das Studium der Torah beiseite zu legen, nur mit dem Ziel, ihn zu warnen, damit er seinen Weg noch einmal überprüft und versucht, bei einem anderen Rav oder nach einem anderen Traktat zu lernen, aber natürlich keineswegs von der Torah abzulassen, selbst von deren offenem Teil nicht.
21. Es ist auch schwer, sowohl die Worte von Chaim Vital zu verstehen, als auch die der Gemara, aus welchen folgt, dass es dem Menschan an einer gewissen Vorbereitung und einer besonderen Auszeichnung bedarf, um der Weisheit der Torah gewürdigt zu werden. Haben nicht etwa die Weisen geschrieben (Midrasch Raba, „Ve-Sot ha-Bracha“): „Es sagte der Schöpfer dem Volk Israel: „Euer Leben, eure Weisheit und die ganze Torah sind einfache Dinge. Jeder, der Mich fürchtet und die Anweisungen der Torah ausführt - die ganze Torah und die ganze Weisheit sind in seinem Herzen“. Folglich braucht man keine vorherige Auszeichnung, sondern nur durch die wunderbare Kraft der Ehrfurcht vor dem Schöpfer und nur durch die Ausführung der Gebote wird man der ganzen Weisheit der Torah gewürdigt.
22. Tatsächlich, wenn wir seinen Worten Aufmerksamkeit schenken, werden sie für uns klar wie der hellichte Tag. Denn das Gesagte: „Es ist besser für den Menschen, den Talmud beiseite zu lassen, nachdem er sein Glück im offenen Teil der Torah versucht hat“- meint nicht das Glück in der Schärfe des Verstandes und im Wissen, sondern das, was wir bereits oben klärten, indem wir den Ausdruck erläuterten: „ich erschuf den bösen Trieb und ich erschuf die Torah als Gewürz zu dessen Korrektur“. Das heißt der Mensch arbeitete und bemühte sich in der offenen Torah, aber der böse Trieb bleibt noch immer in Kraft und hat sich keineswegs abgeschwächt, weil er sich noch immer nicht vor verbrecherischen Überlegungen befreite, wie Raschi oben zur Erklärung der Worte sagte: „Ich erschuf die Torah als Gewürz zu dessen Korrektur“.
Daher empfielt Chaim Vital dem Menschen, den Talmud beiseite zu lassen und sich mit der Kabbalah zu beschäftigen, weil es einfacher ist, das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, durch Studien und Bemühungen in der Kabbalah, als durch Bemühungen in der offenen Torah anzuziehen. Und der Grund dafür ist durchaus einfach: die Weisheit der offenen Torah ist in äußere materielle Hüllen gekleidet, solche wie die Gesetze vom „Diebstahl“, „Raub“, „Schaden“ usw.; und jedem Menschen fällt es daher schwer und es ist hart für ihn, während der Studien seinen Verstand und das Herz auf den Schöpfer einzustellen, um das Licht anzuziehen, welches in der Torah eingeschlossen ist.
Wenn dem Menschen das Studium des Talmuds auch noch hart und schwer fällt, wie kann er dann während des Studiums den Gedanken an den Schöpfer im Kopf behalten? Denn da die Rede von materiellen Dingen ist, können sie sich bei ihm nicht zur gleichen Zeit mit der auf den Schöpfer gerichteten Intention verbinden.
Daher empfiehlt es Chaim Vital, sich mit der Wissenschaft der Kabbalah zu beschäftigen, denn ihre Weisheit ist gänzlich in Namen des Schöpfers gekleidet. Dann wird der Mensch natürlich mühelos während des Studiums seinen Verstand und sein Herz auf den Schöpfer einstimmen können, auch wenn er maximal unempfänglich für das Studium ist. Denn das Studium dieser Wissenschaft und das Studium des Schöpfers ist in ihrem Wesen das gleiche. Und das ist sehr einfach.
23. Aus diesem Grunde führt Chaim Vital eine schöne Bestätigung aus der Gemara an: „Folglich wird ein Schüler, der in fünf Jahren kein gutes Zeichen im Studium sah, es nicht mehr sehen“. Und warum sah der Mensch kein gutes Zeichen in seinem Studium? Natürlich nur wegen eines Mangels an Glauben im Herzen, und nicht wegen mangelnder Fähigkeit zum Studium, da die Weisheit der Torah keine besonderen Talente erfordert. Wie es oben heißt: „Es sagte der Schöpfer dem Volk Israel: „Euer Leben, eure Weisheit und die ganze Torah sind einfache Dinge. Jeder, der Mich fürchtet und die Anweisungen der Torah ausführt- die ganze Torah und die ganze Weisheit sind in seinem Herzen“.
Es ist aber natürlich Zeit nötig, um sich an das Licht zu gewöhnen, welches sich in der Torah und den Geboten verbirgt, und ich weiß nicht wie viel. Der Mensch kann alle 70 Jahre seines Lebens darauf warten, und daher warnt uns die Brajta (Traktat Chulin, 24), dass man nicht länger als fünf Jahre warten sollte. Und Rabbi Josi sagt: auch drei Jahre sind vollkommen ausreichend, um der Weisheit der Torah gewürdigt zu werden. Wenn jedoch der Mensch kein gutes Zeichen in dieser Zeit sieht, dann sollte er sich nicht mit vergeblichen Hoffnungen und lügnerischen Ausreden täuschen, sondern er soll wissen, dass er niemals mehr ein gutes Zeichen sehen wird.
Daher wird er sofort eine Notwendigkeit verspüren, für sich ein gutes Mittel zu finden, mit dessen Hilfe er die Möglichkeit haben wird, zu Lishma zu gelangen und der Weisheit der Torah gewürdigt zu werden. Die Brajta präzisiert aber nicht, was das für ein Mittel ist, sondern warnt lediglich, dass der Mensch nicht im gleichen Zustand verweilen dürfe, um noch etwas zu erwarten. Und davon spricht Rav: das erfolgreichste und sicherste Mittel für den Menschen ist das Studium der Wissenschaft der Kabbalah. Er darf gänzlich vom Studium der offenen Torah ablassen - denn er versuchte bereits in ihr sein Glück und hatte keinen Erfolg. Er soll seine ganze Zeit der Wissenschaft der Kabbalah widmen - dem sicheren Mittel zur Erreichung des Erfolgs.
24. Das ist sehr einfach: hier wird kein Wort vom Studium der offenen Torah zwecks des Erhaltes von Wissen gesprochen, welches zur praktischen Ausführung notwendig ist. Denn „Ein Ignorant ist nicht fromm, und ein Fehler im Studium wird mit Böswilligkeit gleichgesetzt, und ein Sünder wird viel Gutes vernichten“. Daher muss der Mensch unbedingt das Material wiederholen, in einem genügenden Maße, um keinen Mißerfolg in der Handlung zu erleiden.
Hier ist aber nur von der Weisheit der offenen Torah bei der Betrachtung komplizierter Fragen die Rede, die bei der einfachen Deutung der Halacha entstehen, wie Rav Chaim Vital selbst sagt, das heißt von demjengen Teil im Studium der Torah, der nicht bei der praktischen Ausführung erforderlich ist. Hier kann man das Studium vereinfachen, indem man das Material aus Kürzungen und nicht aus Erstquellen studiert. Aber auch dabei ist ein ernsthaftes Studium notwendig, weil einer, der das Gesetz aus der Erstquelle kennt, sich von einem, der es aus der Kurzbeschreibung kennt, unterscheidet. Und um darin nicht zu irren, sagt Rav Chaim Vital ganz zu Beginn, das sich die Seele nur dann mit dem Körper verbindet, wenn dieser ganzheitlich und durch die 613 Anweisungen der Torah korrigiert ist.
25. Nun wirst du sehen, dass alle schweren Fragen, die wir zu Beginn dieses Vorwortes angeführt haben, Eitelkeiten sind. Sie sind nichts anderes als Fallen, die der böse Trieb stellt, wenn er naive Seelen jagt, um sie aus der Welt zu vertreiben, ohne dass sie gedürstet hätten.
Sehen wir uns die erste Frage an. Die Menschen halten sich für fähig, ohne die Kenntnis der Wissenschaft der Kabbalah die ganze Torah auszuführen. Ich aber sage ihnen: gut, wenn ihr die Torah richtig studieren und die Gebote richtig ausführen könnt, und das im Sinne von Lishma, das heißt um dem Schöpfer allein Genuss zu bereiten. Dann braucht ihr tatsächlich nicht das Studium der Kabbalah, weil dann von euch geschrieben steht: „Die Seele des Menschen wird ihn selbst lehren“. Denn dann offenbaren sich euch, wie Rabbi Meir im Traktat Avot sagte, alle Geheimnisse der Torah gleich einer sich verstärkenden Quelle und ihr müsst nicht zur Hilfe der Bücher greifen.
Wenn ihr aber bisweilen auf der Etappe der Studien im Zustand Lo Lishma verweilt, aber Hoffnungen habt, dadurch Lishma gewürdigt zu werden, dann muss ich euch fragen: wie viele Jahre beschäftigt ihr euch damit? Wenn ihr noch nicht fünf Jahre nach Tana Kama oder drei Jahre nach Rabbi Josi abgeschlossen habt, dann sollt ihr noch warten und hoffen.
Wenn aber euer Studium der Torah in Lo Lishma mehr als drei Jahre nach Rabbi Josi oder mehr als fünf Jahre nach tana Kama einnahm, dann warnt euch die Brajta, dass ihr auf eurem beschrittenen Weg kein gutes Zeichen mehr sehen werdet! Und wozu wollt ihr eure Seelen mit vergeblichen Hoffnungen täuschen, zu einer Zeit, wenn ihr ein solch nahes und sicheres Mittel wie das Studium der Wissenschaft der Kabbalah habt, was bereits oben von mir begründet wurde, weil das Studium dieser Frage das gleiche wie das Studium des Schöpfers selbst ist?
26. Berühren wir nun die zweite Frage. Es steht geschrieben, dass man sich zunächst „den Talmud und die Gesetze“ in voller Höhe aneignen sollte. Dem ist natürlich so, nach der allgemeinen Behauptung. Aber natürlich wurde das nur für den Fall gesagt, wenn ihr bereits des Studiums Lishma gewürdigt wurdet, oder sogar Lo Lishma, wenn ihr noch nicht jeweils drei oder fünf Jahre abgeschlossen habt. Andererseits, wie uns die Brajta selbst warnt, werdet ihr nimmer mehr ein gutes Zeichen sehen. Daher seid ihr verpflichtet, euer Glück im Studium der Kabbalah zu versuchen.
27. Es ist auch notwendig zu wissen, dass es in der Wissenschaft Kabbalah zwei Teile gibt.
Der erste Teil heißt „Geheimnisse der Torah“; es ist verboten, diese anders als aus dem Munde eines Weisen - Kabbalisten - an einen, der sie mit dem Verstand versteht, zu offenbaren. Sowohl die Handlung der Schöpfung (Maase- Merkaba) als auch die ursprüngliche Handlung (Maase- Bereschit) gehören ebenfalls zu diesem Teil. Die Weisen des Sohar nennen diesen Teil: „Die drei ersten Sfirot“- „Keter, Chochma, Bina“. Und auch wird er als „Kopf des Parzuf“ bezeichnet.
Der zweite Teil heißt „Geschmäcker“ der Torah, die man offenbaren darf. Sogar mehr als das ist deren Offenbarung eine große Mizwa. Dieser Teil heißt im Sohar „die sieben unteren Sfirot des Parzuf“ und heißt auch „Körper des Parzuf“.
Denn in jedem der spirituellen Parzufim gibt es zehn Sfirot, die wie folgt heißen: Keter, Chochma, Bina, Chesed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod, Jessod und Malchut. Die drei ersten Sfirot von ihnen heißen „Kopf des Parzuf“, und die sieben unteren Sfirot heißen „Körper des Parzuf“. Sogar in der Seele des niedersten Menschen gibt es auch Kategorien dieser oben genannten zehn Sfirot. Und so in jeder Kategorie, wie in den Höheren so auch in den niederen.
Die sieben niederen Sfirot, die der Körper des Parzuf sind, heißen „Geschmäcker“ der Torah, und der Sinn davon ist in den Worten eingeschlossen: „der Gaumen wird das Essen kosten“. Es geht darum, dass die Lichter, die sich unter den drei ersten Sfirot offenbaren, die der Kopf des Parzuf sind, als „Geschmäcker“ bezeichnet werden, und Malchut des Kopfes (Malchut de- Rosh) heißt „Gaumen“. Daher heißen diese Lichter „Geschmäcker“ der Torah. Mit anderen Worten enthüllen sie sich vom Gaumen im Kopf, der die Quelle aller Genüsse ist, und die Malchut des Kopfes darstellt. Von dort und weiter nach unten gibt es kein Verbot bezüglich deren Offenbarung. Mehr als das, die Belohnung desjenigen, der sie offenbart, ist grenzenlos und unermeßlich groß.
Diese drei ersten und sieben unteren Sfirot - in ihrem allgemeinen Bau oder in jedem aller Einzelteile, in die man sie nur unterteilen kann - ordnen sich auf eine solche Weise an, dass sogar die drei ersten Sfirot von Malchut des Endes der Welt Assija zu „Geheimnissen der Torah“ gehören, die zu offenbaren verboten ist; und die sieben unteren Sfirot, die sich in Keter des Kopfes der Welt Azilut befinden, gehören zu „Geschmäcker“ der Torah, die man offenbaren darf. Diese Fragen werden in Büchern zur Kabbalah beleuchtet.
28. Die Quelle dafür wirst du im Traktat “Psachim” finden (S.119). „Es steht geschrieben (Jesaja, 23): „Aber ihr Gewinn und Lohn wird dem Herrn geweiht werden. Man wird ihn nicht wie Schätze sammeln und aufbewahren, sondern ihr Erwerb wird denen zufallen, die vor dem Herren wohnen, dass sie essen und satt werden und wohlbekleidet seien“. Was ist „wohlbekleidet“? Das bedeutet, dass das bekleidet, verdeckt ist, was Atik Jomin verdeckte. Und was ist das? Die Geheimnisse der Torah. Und einige behaupten, dass das bedeutet, das zu enthüllen, was Atik verbarg. Was ist das? Die Geschmäcker der Torah“.
Und Raschbam erklärte: “Atik” ist der Schöpfer, wie es geschrieben steht: „Es thront Atik Jomin“. Geheimnisse der Torah - das sind die Handlung der Erschaffung und die ursprüngliche Handlung. Der Sinn des „Namens des Schöpfers“ steckt in den Worten: „Das ist mein Name für die Welt“. „Verbergen“ meint, nicht an jeden übergeben, sondern nur an denjenigen, dessen Herz unruhig ist. „Zu enthüllen, was Atik verbarg“ bedeutet, die Geheimnisse der Torah zu verbergen, die anfänglich verborgen waren, die Atik Jomin enthüllte, und das Recht gab, sie zu enthüllen. Und derjenige, der sie offenbart, wird dessen gewürdigt, wovon in diesem Ausspruch die Rede ist.
29. Daraus wird der riesige Unterscheid zwischen den Geheimnissen der Torah und den “Geschmäckern” der Torah ersichtlich. Derjenige, der die Geheimnisse der Torah erkennt, bekommt eine riesige Belohnung dafür, dass er sie verborgen hält, und sie nicht enthüllt. Umgekehrt bekommt derjenige, der die Geschmäcker der Torah erkennt, eine riesige Belohnung dafür, dass er sie anderen offenbart. Beide Deutungen widersprechen sich nicht, weil jede den Sinn unterschiedlicher Teile des Ausspruchs erklärt. Die eine bezieht sich auf den letzten Teil des Ausspruchs „Atik verbergen“ und besagt, dass für die Verhüllung der Geheimnisse der Torah eine große Belohnung gegeben wird. Und die zweite Deutung bezieht sich auf den Anfang des Ausspruches „sich satt essen“, was die „Geschmäcker“ der Torah bedeutet, wie es geschrieben steht: „und der Gaumen wird das Essen kosten“, weil die Lichter der „Geschmäcker“ (Taamim) als Speisung bezeichnet werden. So wird der Sinn des Erhaltes einer großen Belohnung erklärt, von dem im Ausspruch über die Offenbarung der „Geschmäcker“ der Torah die Rede ist (zwischen diesen zwei Herangehensweisen gibt es keinen Widerspruch, es spricht einfach die eine von Geheimnissen der Torah, und die andere von „Geschmäckern“ der Torah). Sowohl die eine als auch die andere nehmen aber an, dass es notwendig ist, die Geheimnisse der Torah zu verbergen, und die „Geschmäcker“ der Torah zu offenbaren.
30. Hier hast du eine klare Antwort auf die vierte und die fünfte Frage, die zu Anfang dieses Vorwortes angeführt wurden. In den Reden der Weisen und in heiligen Büchern wirst du Aussprüche darüber finden, dass man die Torah nur an diejenigen weitergibt, deren Herz unruhig ist. Die Rede ist von demjenigen Teil, der als die „Geheimnisse der Torah“ bezeichnet wird und die ersten drei Sfirot und den Kopf darstellt. Man übergibt ihn nur an die Bescheidenen und unter bekannten Bedingungen; und in allen Büchern zur Kabbalah, die verfasst und abgedruckt sind, wirst du sie noch nicht einmal erwähnt finden, weil dies das ist, was Atik verbarg, wie es in der Gemara geschrieben steht.
Mehr als das, sage selbst, ob man an den Gerechten zweifeln kann, welche die größten Männer der Nation sind, die Außerwählten unter Außerwählten, solche wie die Verfasser der Bücher „Jezira“, „Sohar“ und Rabbi Ischmael, der Verfasser des Buches „Brajta“, und Rav Chaj Gaon, und Rabbi Chamaj Gaon, und der Rabbi aus Garmiza, und andere Rischonim bis hin zu Ramban und Baal- Turim, und Baal Schulchan Aruch, bis zum Vilner Gaon, und Gaon aus Ladi, und andere Gerechten (ihr Gedenken sei selig), von welchen für uns die ganze offene Torah ausgeht, aus dem Munde welcher wir leben, und von den Taten erfahren, die dazu aufgerufen sind, Gnade in den Augen des Schöpfers zu finden. Denn sie alle schrieben und gaben Bücher über die Wissenschaft der Kabbalah heraus, weil es keine größere Offenbarung als die Verfassung eines Buches gibt. Derjenige, der ein Buch schreibt, weiß nicht, welche Menschen es studieren werden. Vielleicht werden ausgemachte Sünder hineinschauen - und in diesem Fall gibt es keine größere Offenbarung der Geheimnisse der Torah.
Kann man sich aber etwa vorstellen, diese reinen Weisen würden sogar gegen eine Kleinigkeit von dem verstoßen, was Mischna und Gemara eindeutig zu offenbaren verbieten, wie es im Traktat „Chagiga“, in „Ejn Dorschin“ heißt.
Umgekehrt gilt unumstößlich, dass alle verfassten und abgedruckten Bücher in ihrem Wesen die „Geschmäcker“ der Torah sind, die Atik ursprünglich verbarg, und dann offenbarte, wie es heißt: „der Gaumen wird das Essen schmecken“. Und es ist nicht nur nicht verboten, diese Geheimnisse zu offenbaren, sondern umgekehrt ist es eine große Mizwa, sie zu offenbaren (wie es weiter oben im Traktat Psachim, 119 gesagt wurde). Die Belohnung desjenigen, der sie zu offenbaren vermag und sie offenbart ist sehr groß. Denn von der Offenbarung dieses Lichtes an viele hängt die Ankunft des gerechten Erlösers ab, bald, in unseren Tagen, Amen.
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31. Es existiert eine große Notwendigkeit zu erklären, warum die Ankunft des gerechten Erlösers von der Verbreitung der Kenntnisse der Kabbalah in den Massen abhängig ist, was so gut aus dem Sohar und allen Büchern zur Kabbalah bekannt ist. Die Massen selbst vernachlässigen das aber auf unerträgliche Weise. Und die Klärung dieser Frage wird in Tikunej Sohar angeführt (30:5, Nativ Tinjana). Eine kurze Übersetzung: „Zu einer Zeit, wenn die Schchina ins Exil hinabsteigt, weht dieser Geist über diejenigen, die sich mit der Torah beschäftigen, weil die Schchina unter ihnen weilt. Alle gleichen dem Vieh, welches Gras frisst. Jeden Gefallen führen sie für sich aus. Und sogar diejenigen, die Torah studieren, tun jeden Gefallen für sich. Zu dieser Zeit weicht der Geist und kehrt nicht in die Welt zurück. Und das ist der Geist des Maschiach.
Wehe denen, wegen welchen der Geist des Maschiach aus der Welt weicht und nicht in die Welt zurückkehrt. Sie machen die Torah trocken und möchten keine Bemühungen in der Wissenschaft der Kabbalah unternehmen. Diese Menschen führen dazu, dass die Quelle der Weisheit versiegt, das heißt sowie der Buchstabe „Yud“ im Namen HaWaYaH. Und es wird sich der Geist des Maschiach entfernen, der Geist der Weisheit (Chochma) und des Verständnisses (Bina), der Geist des Gedankens und der Tapferkeit (Gwura), der Geist des Wissens (Daat) und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer. „Und der Schöpfer sagte: „Es werde Licht“- das ist das Licht der Liebe, der Liebe der Barmherzigkeit. Wie es geschrieben steht: „Mit ewiger Liebe liebte ich dich“ (Jeremija, 31:2). Und davon steht geschrieben: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt“ (Hoheslied, 3:5)... Und dann ist das keine Liebe für die Belohnung. Denn Liebe und Ehrfurcht für den Empfang einer Belohnung gehören einer Magd... Ein Land wird durch dreierlei unruhig, und viererlei kann es nicht ertragen: einen Knecht, wenn er König wird... eine Magd, wenn sie ihre Herrin beerbt“ (Sprüche, 30:12)“.
32. Beginnen wir, “Tikunej Sohar” vom Ende bis zum Anfang zu erklären. Es wird gesagt, dass Ehrfurcht und Liebe, die der Mensch in den Beschäftigungen mit der Torah und den Geboten empfindet, als Ziel den Erhalt der Belohnung verfolgen. Mit anderen Worten hofft der Mensch, dass er dank der Torah und dank der Arbeit ein gewisses Wohl erlangt. Darin besteht die Bedeutung der „Magd“, von der geschrieben steht: „Eine Magd, die ihre Herrin beerbt“.
Auf den ersten Blick ist das schwer zu verstehen. Denn es steht geschrieben: „Es soll sich der Mensch immer zu mit der Torah und den Geboten beschäftigen, selbst wenn er das Lo Lishma tut“. Warum aber „wird das Land unruhig“? Und man sollte noch fragen, warum die Beschäftigungen in Lo Lishma eben zur Kategorie „Magd“ gehören. Aber auch der Ausdruck „Beerbt ihre Herrin“- von welchem Erbe kann hier die Rede sein?
33. Diese Frage kann man verstehen, wenn man sie mit all dem verbindet, was oben erklärt wurde. Denn die Weisen erlaubten die Studien in Lo Lishma nur aus dem Grunde, dass der Mensch von Lo Lishma zu Lishma gelangt, weil „das Licht, welches sich in der Torah verbirgt, ihn an die Quelle zurückführt“. Und daher wird das Studium in Lo Lishma als eine „Magd - Helferin“ gelten, die niedere Arbeit für ihre Herrin - die Schechina - ausführt. Denn im Endeffekt wird der Mensch zu Lishma gelangen und des Leuchtens der Schchina würdig. In diesem Fall gilt auch die „Magd“, das heißt das Studium in Lo Lishma, als eine „gerechte Magd“, weil sie hilft und das Spirituelle vorbereitet, und wird als die „reine“ Welt Assija bezeichnet.
Wenn aber der Glaube des Menschen unvollkommen ist, und er sich mit der Torah und der Arbeit nur aus dem Grunde beschäftigt, weil der Schöpfer es ihm aufgetragen hat zu studieren, dann wird sich in solch einer Torah überhaupt nicht das darin eingeschlossene Licht offenbaren, weil die Augen des Menschen beschädigt sind und das Licht in Dunkelheit verwandeln, wie bei einer Fledermaus. Ein solches Studium tritt bereits aus der Macht der „gerechten Magd“ heraus, weil der Mensch mit ihrer Hilfe nicht dessen würdig ist. Daher geht er in die Herrschaft der Klipa über, der „unreinen Magd“, die diese Torah und die Arbeit beerbt und sie für sich wegnimmt. Daher „wird das Land unruhig“ (bebt), denn bekannterweise wird als das Land die Schechina bezeichnet, und diejenige Torah und Arbeit, die in die Macht der Schechina hätten übergehen müssen, werden von der „schlechten Magd“ geraubt, indem sie diese nach unten in die Herrschaft der Klipot absenkt. Folglich beerbt die Magd die Herrin.
34. Auf diese Weise wurde in “Tikunej Sohar” das Geheimnis der Beschwörung erklärt: „Weckt die Liebe nicht auf und stört sie nicht, bis es ihr selbst gefällt“. Es ist wichtig, dass das Volk Israel das Höchste Licht der Barmherzigkeit anzieht, welches auch als die „Liebe der Barmherzigkeit“ bezeichnet wird. Denn das ist jenes „Erwünschte“, was gerade mittels der Arbeit in der Torah und den Geboten nicht für eine Belohnung herangezogen wird. Durch das Licht der Barmherzigkeit im Volk Israel wird das Licht der Höchsten Weisheit (chochma) angezogen, welches sich im Licht der Barmherzigkeit des Volkes Israel offenbart.
Dieses Licht Chochma ist das Geheimnis des Gesagten: „Und es ruht auf ihm der Geist des Schöpfers; der Geist der Weisheit und des Verständnisses, der Geist des Gedanken und der Tapferkeit, der Geist des Wissens und der Ehrfurcht vor dem Schöpfer“ (Jesaja, 11:2). Es heißt über den König - Maschiach (Messias): „Und er wird den Völkern ein Zeichen bringen und die Vertriebenen Israels versammeln, und die aus Judäa zerstreuten von vier Enden der Erde einsammeln“. Denn nachdem mithilfe des Lichts Chesed das Volk Israels das Licht Chochma anzieht, offenbart sich der Messias und versammelt alle Vertriebenen Israels.
Es hängt alles von den Studien der Torah und der Arbeit in Lishma ab. Dadurch ist der Mensch fähig, ein großes Licht Chesed heranzuziehen, in welches sich das darauffolgende Licht Chochma einkleidet. Und das ist das Geheimnis der Beschwörung: „Weckt nicht auf und stört nicht“. Denn das vollbrachte Exil und die Versammlung der Vertriebenen sind ohne das nicht möglich, weil so die Reihenfolge der Kanäle des Spirituellen ist.
35. Die Weisen deuteten auch den folgenden Vers: “und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“ (Torah, Bereschit, 1:1). Was ist der „Geist des Schöpfers“? Während des Exils des Volkes Israel befasst man sich noch immer mit der Torah und den Geboten Lo Lishma. Wenn das aber jene Kategorie Lo Lishma ist, aus welcher man zu Lishma gelangt, dann verweilt die Schechina zwischen ihnen nur im Stadium des Exils, weil sie noch nicht zu Lishma gelangten.
Davon heißt es: Schchina befindet sich in der Verhüllung, aber am Ende werden sie der Offenbarung der Schchina würdig. Dann schwebt der Geist des Königs - Maschiach (Messias) über jenen, die sich mit der Torah und den Geboten beschäftigen und erweckt sie dazu, zu Lishma zu gelangen, durch das Geheimnis des Gesagten: „Das Licht, welches die Torah birgt, führt sie an die Quelle zurück.“ Die Torah hilft und bereitet auf das Strahlen der Schchina, ihrer Herrin, vor.
Wenn jedoch diese Studien in Lo Lishma nicht würdig sind, zu Lishma zu führen, dann jammert die Schchina und sagt, dass es in denen, die sich mit der Torah beschäftigen, keinen Geist des Menschen gibt, der nach oben emporsteigt, sondern sie geben sich mit dem Geist eines Tieres zufrieden, welcher nach unten hinabsteigt, und alle ihre Beschäftigungen mit der Torah und den Geboten dienen ihrem eigenen Gewinn und Genuss. Und solche Studien der Torah können sie nicht zu Lishma führen, denn es weht nicht über ihnen der Geist des Maschiach, sondern es weicht unwiderruflich von ihnen, weil die unreine Magd ihre Torah wegnimmt und die Herrin beerbt - denn sie gehen nicht den Weg, der sie von Lo Lishma zu Lishma führt.
Obwohl sie keinen Erfolg durch die Studien der offenen Torah haben, weil es in ihr kein Licht gibt und sie trocken ist - wegen der Begrenztheit ihres Verstandes - können sie doch mittels des Studiums der Kabbalah Erfolg erlangen, weil das Licht, welches sich in ihr birgt, in die Kleider des Schöpfers gekleidet ist, das heißt in seine Namen und Sfirot. Dann könnten sie mit Leichtigkeit zu Lo Lishma gelangen, welches sie zu Lishma führt, und der Geist des Schöpfers wird über ihnen schweben, was der Sinn des Gesagten ist: „das Licht der Torah führt sie an die Quelle zurück.“
Dennoch wollen sie in keinster Form das Studium der Kabbalah. Und daher bewirken sie Armut, Erniedrigung, Zerstörung, Mord und Vernichtung in der Welt, weil der Geist des Maschiach weicht, der Geist von Chochma und Bina.
36. Aus den Worten von “Tikunej Sohar” wird Folgendes geklärt. Es gibt einen Schwur darauf, dass das Licht der Gnade und Liebe in der Welt nicht erwachen wird, bevor nicht die Taten des Volkes Israel in der Torah und in den Geboten statt mit der Absicht, eine Belohnung zu erhalten, endlich mit der Absicht, dem Schöpfer Genuss zu schenken, erfolgen, was das Geheimnis der Beschwörung ist: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems“ (Hoheslied, 5:8). Somit hängen die andauernden Exile und Leiden, die wir erdulden, von uns ab und warten auf unsere Entscheidung. Bis wir letztlich der Arbeit in der Torah und den Geboten Lishma gewürdigt werden. Und nur wenn wir das verdienen, wird dieses Licht der Liebe und Gnade erwachen, durch dessen wunderbare Eigenschaft die Worte verwirklicht werden: „Und es ruht auf ihm der Geist der Weisheit und des Verständnisses“. Und dann werden wir der vollkommenen Erlösung würdig.
Das ganze Volk Israels wird zu dieser großen Reinigung nicht anders als durch das Studium der Kabbalah gelangen, die den leichtesten Weg darstellt, der auch für die Unvernünftigen zureichend ist. Andererseits werden nur Einzelne, die mit mirakulöser Kraft ausgestattet sind, dank der Beschäftigung mit der offenen Torah allein dessen würdig, und zwar mittels großer Leiden - nicht aber die Mehrheit des Volkes (aus Gründen, die in P.22 erläutert wurden). Dadurch hat sich eindeutig die Nichtigkeit der vierten und fünften Frage geklärt, die zu Beginn dieses Vorwortes angeführt wurden.
37. Was aber die dritte Frage anbelangt, die in der Furcht besteht, etwas auszulassen, so gibt es hier nichts zu befürchten, weil die Menschen einst vom Weg des Schöpfers aus zweierlei Gründen abwichen:
- Entweder verstießen sie gegen die Worte der Weisen in den Dingen, die zu enthüllen verboten sind;
- Oder, weil sie die Worte der Kabbalah in ihrer äußeren Bedeutung verstanden, das heißt entsprechend materiellen Anweisungen, und gegen das Gebot verstießen: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen“ (Torah, Schmot 20:4)
Daher stand bis heute tatsächlich eine unüberwindbare Mauer um diese Wissenschaft herum. Viele unternahmen Versuche, traten an das Studium heran und konnten es nicht fortsetzen, wegen des Mißverständnisses oder wegen materieller Termini. Deswegen habe ich mich in den Kommentaren zum Buch „Panim Meirot u- Masbirot“ darum gekümmert, das große Buch vom Ari „Baum des Lebens“ zu erklären, indem ich materielle Formen abstrahierte und sie in Entsprechung zu spirituellen Gesetzen setzte, über Raum und Zeit - so, dass jeder Anfänger den Sinn und die Begründung dieser Dinge verstehen und dabei die Klarheit des Verstandes auch in der einfachsten Form behalten könnte; nicht schwerer, als die Gemara mittels der Deutungen von Raschi verstanden wird.
38. Lasst uns den Begriff der Verpflichtung zur Beschäftigung mit der Torah und den Geboten Lishma erweitern. Man muss den Terminus selbst verstehen: „Torah Lishma“. Warum wird die erwünschte, vollkommene Arbeit als Lishma definiert (wörtlich: „um ihrer Willen“, und unerwünschte Arbeit- als „Lo Lishma“ (wörtlich: „nicht um ihrer Willen“)? Denn im einfachen Verständnis, wenn ein Mensch, der sich mit der Torah und den Geboten beschäftigt, sich verpflichtet, sein Herz auf den Genuss des Schöpfers auszurichten und nicht auf den eigenen Gewinn, dann müsste man das mit dem Begriff: „Torah Lischmo“ definieren („Torah für Ihn/um Seinetwillen“), und im entgegengesetzten Fall: „Torah Lo Lischmo“ („Torah nicht für Ihn“), was den Schöpfer meint. Warum wird das aber mit den Begriffen von „Lishma“ und „Lo Lishma“ definiert, welche die Torah meinen?
Natürlich liegt darin ein tieferer Sinn als man aus dem Gesagten heraushört, denn dieser Ausspruch bescheinigt, dass die Torah für Ihn (Lischmo), das heißt um dem Schöpfer Genuss zu bereiten, immer noch nicht genügt, und auch Studien für sie (Lishma) notwendig sind, das heißt für die Torah. Und das erfordert eine Erklärung.
39. Die Torah wird bekannterweise als “Torah des Lebens” bezeichnet. Es steht geschrieben: „Ein Leben für denjenigen, der sie fand“ (Mischlej, 4:22), „denn es ist kein leeres Wort für euch, sondern euer Leben“ (Dvarim, 32:37). Daher besteht der Sinn des Begriffes „Torah Lishma“ darin, dass die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten dem Menschen Leben und Verlängerung der Tage bringt, weil dann die Torah ihrem Namen entspricht.
Folglich bringt die Beschäftigung mit der Torah und den Geboten einem Menschen, der sein Herz und seinen Verstand nicht auf das oben Gesagte ausrichtet, das Gegenteil vom Leben und der Verlängerung der Tage, das heißt sie entspricht überhaupt nicht dem Namen der Torah; denn sie wird als „Torah des Lebens“ bezeichnet. Verstehe das. Diese Worte werden von Weisen gedeutet (Traktat Taanit, 7, S.1): „Für jeden, der sich mit der Torah Lo Lishma beschäftigt, wird sie zu einem tödlichen Gift. Und für jeden, der sich mit der Torah Lishma beschäftigt, wird sie zum Lebenselexir“.
Diese Worte bedürfen jedoch einer Klärung: man muss verstehen, wie und worin wird die Torah für den Menschen zu einem tödlichen Gift? Er bemüht sich nicht nur vergebens und hat keinen Nutzen aus seinen Sorgen und Bemühungen - auch die Torah selbst und die Arbeit verwandeln sich für ihn in ein tödliches Gift. Das ist sehr merkwürdig.
40. Zunächst bedenken wir die Worte der Weisen (Traktat Megilla, 6, S.2): “Bemühte sich und fand - sollst du glauben, bemühte sich nicht und fand - sollst du nicht glauben”. Was bedeutet der Ausdruck „bemühte sich und fand“, der in sich widersprüchlich erscheint? Denn das Wort „bemühte“ zeugt von der Arbeit und von den Sorgen, mit denen man das Erwünschte bezahlt; und zwar zahlt man für etwas Wichtiges mit einer großen Anstrengung, und für etwas weniger Wichtiges mit einer kleinen.
„Fand“ steht aber dazu im Gegensatz. Das Erwünschte kommt normalerweise zu einem Menschen, wenn seine Aufmerksamkeit vollkommen abgelenkt ist, ohne jegliche vorbereitende Sorgen, Anstrengungen und Bezahlung. Wie kannst du daher sagen: “Bemühte sich und fand”? Denn wenn Arbeit investiert worden wäre, könnte man sagen: “bemühte sich und erwarb“ oder „bemühte sich und verdiente“ usw., aber nicht „bemühte sich und fand“?
41. Es steht geschrieben: “Die Mich suchen, finden Mich“ (Sprüche, 8). Das wird im Sohar hinterfragt: „Wo findet man den Schöpfer?“ Und es sagten die Weisen, dass man Ihn nur in der Torah findet. Auch über die Worte: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott“ (Jesaja, 45:16) sagten sie, dass der Schöpfer sich in der Torah verhülle. Man muss ihre Worte richtig verstehen. Denn auf den ersten Blick ist der Schöpfer nur im Materiellen verhüllt, in den vergänglichen Werten dieser Welt, die sich außerhalb der Torah befinden. Wie kannst du das Gegenteil behaupten: dass Er sich nur in der Torah verhülle? Aber auch was die allgemeine Meinung betrifft, entsprechend welcher der Schöpfer sich auf so eine Weise verhüllt, dass man ihn begehren müsse - wozu braucht Er diese Verhüllung? Außerdem resultiert aus den Worten „Die mich suchen“ folgendes: „Alle die Ihn begehren werden Ihn finden“. Und man muss gut das Wesen dieses Wunsches und das Wesen dieses Fundes verstehen: was sind sie und wozu?
42. Du musst aber wissen, worin der Grund dieser ganzen Entferntheit besteht. Dass wir vom Schöpfer so fern sind und in einem solchen Grad gegen Seinen Wunsch verstoßen können, ist aus einem einzigen Grund hervorgerufen, der zur Quelle aller Leiden und Qualen wurde, die wir erdulden, und aller böswilligen Verbrechen und Unachtsamkeitsverstößen, über welche wir stolpern.
Gleichzeitig ist klar, dass wir uns sofort von allem Kummer und Leid befreien werden und sofort der Verschmelzung mit dem Schöpfer mit dem ganzen Herzen und der ganzen Seele würdig werden, sobald dieser Grund beseitig ist. Hier werde ich dir sagen, dass dieser ursprüngliche Grund in nichts anderem als in der „Nichtigkeit unseres Verständnisses Seiner Lenkung Seiner Geschöpfe“ besteht. Wir verstehen Ihn nicht so wie es sich gehört.
43. Nehmen wir an, der Schöpfer würde Seine Geschöpfe in klarer Form lenken, so, dass zum Beispiel jeder, der etwas Verbotenes gegessen hätte, sofort auf der Stelle ersticken und jeder, der ein Gebot ausführt, darin einen wunderbaren Genuss finden würde, der den wundervollsten Genüssen dieser materiellen Welt gleicht. Dann würde kein einziger Tor daran denken, etwas Verbotenes zu kosten, wohlwissend, dass er sofort deswegen sein Leben verlieren würde - genau so, wie er nicht darüber nachdenkt, in die Flammen zu springen.
Und was für ein Tor würde irgendein Gebot lassen, ohne es sofort mit aller Behändigkeit auszuführen - wie er nicht zögern oder irgendeinen großen materiellen Genuss lassen kann, der in seine Hände gelangt, ohne ihn unmittelbar mit allergrößter Behändigkeit zu empfangen. Wenn wir daher die klare Lenkung vor Augen hätten, wären alle Menschen vollkommene Gerechte.
44. Daraus wird klar, dass es uns in der Welt nur an klarer Lenkung mangelt. Denn bei klarer Lenkung wären alle Menschen vollkommen Gerechte und würden mit dem Schöpfer in vollkommener Liebe verschmelzen. Denn natürlich wäre es eine große Ehre für jeden von uns, sich dem Schöpfer anzunähern, Ihn mit dem ganzen Herzen und der ganzen Seele zu lieben und mit Ihm immer zu verschmelzen, ohne einen einzigen Augenblick zu zögern.
Dem ist aber nicht so und es gibt keine Belohnung für ein Gebot in dieser Welt. Diejenigen, die gegen Seinen Wunsch verstoßen, werden durchaus nicht vor unseren Augen bestraft, sondern der Schöpfer ist geduldig mit ihnen. Mehr als das erscheint es uns manchmal, es wäre alles umgekehrt, wie es geschrieben steht (Psalmen, 73:12): „Siehe, das sind die Gottlosen: sie sind glücklich in der Welt und werden reich“. Und daher wird sich nicht jeder, der sich dem Schöpfer nähern möchte, sich Ihm nähern können, sondern wir stolpern bei jedem Schritt bis hin zu dem, was von den Weisen gesagt wurde: „Einen Mann von Tausend fand ich (Prediger, 7:28). Eintausend kommen zum studieren, und einer geht ans Licht hinaus“.
Daher ist das Verständnis der Lenkung des Schöpfers der Grund für alles Gute, und das Unverständnis der Grund für alles Böse. Folglich ist das ein Pol, um welchen sich alle Menschen drehen, zur Bestrafung oder zur Gnade.
45. Wenn wir aufmerksam auf die Erkenntnis der Lenkung schauen, die von den Menschen wahrgenommen wird, werden wir herausfinden, dass sie sich in vier Arten aufteilt. Eigentlich gibt es nur zwei: die Verhüllung des Angesichts und die Offenbarung des Angesichts, aber sie unterteilen sich in vier, weil es:
- zwei Stufen in der Lenkung durch die Verhüllung des Angesichts gibt, und das ist die einfache Verhüllung sowie eine Verhüllung innerhalb der Verhüllung - zwei Stufen in der Lenkung durch die Offenbarung des Angesichts, und das sind die Lenkung durch Belohnung und Strafe und die Lenkung durch Ewigkeit.
46. Es steht geschrieben (Dvarim, 31:17): “Da wird mein Zorn entbrennen über sie zur selben Zeit, und ich werde sie verlassen und mein Antlitz vor ihnen verbergen, so dass sie völlig verzehrt werden. Und wenn sie dann viel Unglück und Angst treffen wird, werden sie sagen: Hat mich nicht dies Übel alles getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist? Ich aber werde mein Antlitz verhüllt halten zu der Zeit um all des Bösen willen, das sie getan haben, weil sie sich an andere Götter wandten“.
Wenn du diese Worte betrachtest, wirst du herausfinden, dass zu Beginn steht: „Und mein Zorn wird entbrennen... und ich werde Mein Angesicht verbergen“,- was die einfache Verhüllung bedeutet. Und dann steht: „Und es werden sie viel Unglück und Angst treffen... ich aber werde mein Antlitz verhüllt halten“, was eine doppelte Verhüllung bedeutet. Was ist diese doppelte Verhüllung?
47. Zuerst sollten wir nachvollziehen, was das “Antlitz” des Schöpfers bedeutet, von dem geschrieben steht: „Ich werde Mein Antlitz verhüllen“. Du wirst das am Beispiel des Menschen verstehen: wenn er das Gesicht seines Freundes sieht, erkennt er ihn sofort. Wenn er aber seinen Freund von hinten sieht, ist er sich nicht sicher und zweifelt: vielleicht ist das jemand anderes, und nicht mein Freund?
Gleiches gilt für folgendes: alle erkennen und spüren den Schöpfer als gut, und dem Guten gebührt es, Gutes zu tun. Wenn daher der Schöpfer Seinen Geschöpfen Gutes bringt, die Er mit freigebiger Hand erschuf, dann bedeutet das, dass sein Antlitz den Geschöpfen enthüllt ist, denn dann kennen Ihn alle, weil Er so handelt, wie das seinem Namen gebührt, wie es weiter oben hinsichtlich der offenen Lenkung erläutert wurde.
48. Wenn aber der Schöpfer Seinen Geschöpfen gegenüber entgegengesetzt dem oben Beschriebenen handelt, das heißt wenn Menschen Leiden und Schmerz in Seiner Welt empfinden, dann wird das als die Umkehrseite des Schöpfers definiert. Denn Sein Angesicht, das heißt das vollkommene Maß Seiner Güte, ist absolut vor ihnen verhüllt und ein solches Verhalten entspricht nicht Seinem Namen. Das gleicht einem Menschen, der seinen Freund von hinten sieht und zweifelt: „Vielleicht ist das jemand anderes?“
Darüber heißt es: „Und mein Zorn wird entbrennen... und ich werde Mein Antlitz vor ihnen verhüllen“. Denn zu Zeiten des Zorns, wenn die Geschöpfe Leiden und Qualen empfinden, läuft es darauf hinaus, dass der Schöpfer Sein Antlitz verhüllt, welches das vollkommene Maß Seiner Güte ist, und nur Seine Umkehrseite ist enthüllt. Dann ist eine große Stärke des Glaubens an den Schöpfer notwendig, um sich vor verbrecherischen Überlegungen zu bewahren, weil es schwer ist, Ihn von hinten zu erkennen. Und das wird als „einfache Verhüllung“ bezeichnet.
49. Wenn aber die Leiden und die Qualen maximal anwachsen, ruft das eine doppelte Verhüllung hervor, die in den Büchern als „Verhüllung innerhalb einer Verhüllung“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass sogar Seine Umkehrseite unsichtbar ist; die Menschen glauben nicht daran, dass der Schöpfer zornig auf sie ist und sie bestraft, sondern führen das auf den Zufall und die Natur zurück, wobei sie zur Verneinung seiner Lenkung durch Belohnung und Strafe gelangen. Darüber steht geschrieben: „Und Ich werde mein Antlitz verhüllt halten... weil sie sich an andere Götter wandten“. Das heißt man gelangt zur Verneinung und wendet sich dem Götzendienst zu.
50. Wenn die Rede lediglich von der einfachen Verhüllung ist, wird der Ausspruch mit folgenden Worten abgeschlossen: „Und dann werden sie sagen: Hat mich nicht all dieses Übel getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist?“ Mit anderen Worten glauben die Menschen noch an Belohnung und Strafe und sie behaupten, dass Misere und Leiden zu ihnen kommen, weil sie nicht mit dem Schöpfer verschmolzen sind: „Hat mich nicht all dieses Übel getroffen, weil mein Gott nicht mit mir ist?“ Sie sehen den Schöpfer zwar noch, aber von Seiner Umkehrseite. Daher wird das als „einfache Verhüllung“ bezeichnet, das heißt nur eine Verhüllung des Angesichts.
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